Ähnlichkeiten mit bestimmten Personen sind rein zufällig.
Da saß ich doch neulich gedankenverloren im Wintergarten und dachte an nichts Böses, als ich plötzlich im Augenwinkel jemanden erspähte, den ich hätte eigentlich gar nicht sehen dürfen. Ich hätte ihn deshalb nicht sehen dürfen, weil, die betreffende Person vor über einem Jahr verstorben war. Meine Güte, was hab ich mich erschrocken. Für einen Moment blieb mir beinah das Herz stehen und dann, nach dem ersten Schock, sah ich, dass es sich gar nicht um meinen Schwiegervater handelte, sondern um meinen eigenen Mann. Donnerblitz, dachte ich. Es ist also doch passiert und dabei hatten wir uns vor über dreißig Jahren geschworen, niemals auch wirklich nie irgendwann auch nur halbwegs so auszusehen, wie ein Elternteil. Da stand er nun, wie Gott ihn geschaffen hat. Groß, breitschultrig, mit leichten Bauchansatz und dieser Mütze auf dem Kopf, die eigentlich nur mein Schwiegervater trug. Ehrlich, er glich seinem Vater bis aufs Haar. Mir fiel vor lauter Schreck beinah meine Kinnlade runter. Nein, Nein und nochmals Nein. Das will ich nicht. Ich will überhaupt nicht, dass er aussieht wie sein Vater. Meinen inneren Drang, hinauszulaufen und lauthals meinem Göttergatten entgegenzurufen<< RUNTER MIT DER MÜTZE<< konnte ich gerade noch unterdrücken. Es hätte sowieso nichts gebracht. Was passiert ist, ist passiert!
Jeder von uns hatte schon irgendwann diese Begegnung der dritten Art. Und, trotz aller guten Vorsätze, eben nicht auszusehen wie die eigene Mutter oder Vater passiert es doch irgendwann. Und, wer ist schuld daran? DIE GENE mal wieder! Da kann man noch so gegen angehen. Manches ist halt so sicher, wie das Amen in der Kirche. Ich saß da wie hypnotisiert. Für eines kurzen Moments einer wundervollen Illusion beraubt und dann kam mir der Gedanke. Vielleicht ähnle ich meiner Mutter? Könnte doch sein und mein Mann hat bislang nur nie den Mut gehabt es zu sagen! Wobei, meine Schwester und mein Bruder behaupten genau das Gegenteil und sagen gerne:<<. Nein, du siehst aus, wie Papa<< finde ich es gut? Nein! Abgesehen davon, dass mein Vater eindeutig männlich war, gefällt mir der Gedanke ganz und gar nicht! Ich möchte einfach nicht aussehen wie ein Elternteil! Das Einzige, was bei dem Gedanken ihm ähnlich zu sein gut ist, ist die Tatsache, dass mein Mann bei meinem Anblick keine Magenbeschwerden bekommt. Sein Verhältnis zu ihm war eindeutig besser als zu meiner Mutter. Ist das beruhigend? Und ob!
Was machen wir also mit etwaigen Ähnlichkeiten? Sollen wir sie verfluchen oder gar abstreiten, wenn man uns darauf anspricht? Und wenn, was machen bitteschön diejenigen, die bereits in jungen Jahren einem Elternteil wie aus dem Gesicht geschnitten ähnlich sind? Sollen die sich zukünftig einen Sack über den Kopf ziehen nur, um anders auszusehen? Vielleicht sollte ich meine Tochter fragen! Immerhin behauptet beinah alle, dass wir zwei uns wie ein Ei dem anderen ähneln. Ehrlich. Ich wage zu bezweifeln, dass sie darüber ein Lobgesang erklingen lässt. Mich hingegen freut es ungemein und genau das ist der springende Punkt.
Solange wir nämlich jemanden ähnlich sind, den wir mögen, oder andere uns ähnlich sind, ist alles gut. Haarig oder unangenehm berührend wird die Sache doch erst dann, wenn wir feststellen, dass eine uns nahestehende Person einem anderen Menschen ähnelt, mit dem wir eher etwas Negatives verbinden. Mein Verhältnis zu meinen Schwiegereltern glich eher einer Szene aus Krieg und Frieden. Gut, irgendwann sind wir stillschweigend übereingekommen doch so etwas wie Waffenstillstand zu halten. Was die letzten 15 Jahre eindeutig erleichterte. Dennoch, so richtig grün waren wir uns nie. Jetzt zu sehen, dass meine bessere Hälfte genau zu der Person mutiert, die ich eigentlich nie so richtig in mein Herz schließen konnte, aus welchen Gründen auch immer, ist schwer verdaulich.
Und, was lernen wir daraus? Dass es an einem selber liegt damit klar zu kommen. Denn bekanntlich kann niemand etwas für sein Aussehen. Weder für das jetzige und auch nicht für das spätere. Und ganz ehrlich. Manchmal braucht man einfach einen kleinen oder mittelgroßen Denkanstoß um einen anderen Blickwinkel zu erhalten. Und genau der wurde mir sozusagen auf dem Silbertablett serviert.
Am Samstag war Konfirmation. Nein, nicht die eines Verwandten. Ich war in als Chormitglied dabei. Gott sei Dank, ist in den Kirchen der alte Muff passee. Niemand schläft mehr ein und bei den neu modernen Kirchenliedern kriegt man so richtig ein gutes und fröhliches Gefühl. Nichts mehr mit Trübsinn und nahender Apokalypse! Die jungen Konfirmanden hatten ein gutes Gespür für Lieder, die ebenso feierlich wie modern waren. Eines war darunter, dass mir ziemlich unter die Haut ging und letztendlich den berühmten Nagel auf den Kopf traf. In einem seiner Verse hieß es
Vergiss es nie: Niemand denkt und fühlt und handelt so wie du, und niemand lächelt so, wie du`s gerade tust.
Und in einem weiteren Vers sangen wir inbrünstig:
Vergiss es nie: Dein Gesicht hat niemand sonst auf der Welt, und solche Augen hast allein nur du…
Ich bin zwar nicht erleuchtet nachhause gegangen. Aber immerhin hat dieses Lied auf ziemlich unkonventioneller Art meine Sicht auf etwaige Ähnlichkeiten mit bekannten Personen zurechtgerückt.
Mein Mann ist immer noch mein Mann und trotz aller Ähnlichkeit wird er nie mein Schwiegervater sein. Es gibt immer noch tausend Dinge und Eigenarten an ihm, die ich mag, schätze und auf gewisser Weise liebe. Meine Tochter bleibt immer meine Tochter! Und, auch wenn unsere Ähnlichkeit noch so verblüffend sein mag, ist und bleibt sie doch genau die Person, die sie sein soll und will. Und ich für meinen Teil, mag vielleicht meinem Vater ähneln und dennoch bin ich durch und durch die Person, die ich sein will.
Es ist also völlig egal, wer oder wem man ähnelt. Wichtig ist und bleibt, dass wir trotz aller Ähnlichkeit die Individualität, in uns und im Anderen erkennen.
Die Mütze hab ich trotzdem eingemottet. Nur für den Fall das…………
In diesem Sinne
Herzlichst ihre Lilo David.