Alles eine Frage des Zufalls oder desSchicksals?
37 Jahre. So lange sind mein Mann und ich dieses Jahr zusammen. Also länger als mein halbes Leben. Und bevor sie jetzt nachrechnen, ja, wir waren verdammt jung als wir uns zum ersten Mal begegneten. Warum ich das jetzt schreibe? Weil ich, während ich zusah, wie mein Mann seine Geburtstagsgeschenke auswickelte und wieder eine Kerze mehr auf seiner Torte auspusten musste, darüber nachdachte, wie wohl mein Leben aussehen würde, wenn ich ihn nicht kennengelernt hätte. Würde ich ebenso dasitzen und jemanden dabei beobachten, wie er seine Geschenke auswickelt? Wäre ich überhaupt verheiratet? Dort leben, wo ich jetzt mein zuhause ist? Ob mein Leben anders, aufregender, besser, bunter wäre als das, was ich jetzt führe?
Ich mag dieses Gedankenspiel. Sich die Frage zu stellen, was wäre wenn? Es mag für andere befremdend sein sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Mich für meinen Teil beruhigt es ungemein und gleichzeitig macht es mich dankbar und auch etwas sentimental. Dankbar, weil ich unendlich viel Liebe und Gutes durch und mit ihm erfahren und erleben durfte. Sentimental, weil , durch ein anderes Leben hätte ich auch sicherlich andere Möglichkeiten gehabt. Beruhigend, weil ich trotz aller Überlegung merke, dass mir mein Leben gefällt , ich alles richtig gemacht habe und es mir rund herum gut geht.
Während mein Mann sein neues Männer-Spielzeug ausprobierte stellte ich mir vor, wie ich jetzt ebenso eingehüllt im seidigen Pyjama auf meinem Bett sitzen könnte und bei einer Tasse Kaffee die Morgenzeitung lese. Ich wäre vielleicht gar nicht verheiratet, würde ein unabhängiges, buntes und aufregendes Leben führen und auf meinen abendlichen Auftritt mit Spannung warten. Warum ausgerechnet dieses Szenarium? Nun, das ist ziemlich einfach. Eigentlich wollte ich nach der Schule Gesang studierten. Vielleicht irgendwann auf irgendeiner Bühne dieser Welt stehen und mit Inbrunst die Tosca geben. Daraus, und auch aus vielen anderen Träumen ist nichts geworden, weil ich damals in meinen Entscheidungen weder konsequent noch mutig gewesen bin und mich durch viele manipulativen Argumenten und Lebensvorstellungen hab beugen lassen. Statt dem Ruf der Bretter dieser Welt zu folgen habe ich dem Wunsch meiner Eltern entsprochen und eine bodenständige Ausbildung begonnen. Damit hat mein Leben bereits einen völlig anderen Weg eingeschlagen.
Fängt man erst mal an, darüber nachzudenken, stellt man schnell fest, dass einem irgendwann der Kopf zu schwirren beginnt und man eigentlich in seinen Überlegungen gar kein Ende findet. Unweigerlich stellt man sich die Frage, ob das eigene Leben wirklich aus eigenen Entscheidungen besteht oder, ob es am Ende dann doch Zufälle sind, die das Leben zu dem machen, wie es ist? An die Möglichkeit, dass manche Entscheidungen nur deshalb getroffen werden, weil andere sie für einen fällen oder manipulativ einwirken, daran mag ich nicht denken. Obwohl, manches mag vielleicht gerade deshalb so oder so passiert sein.
Ich hätte auch meinen Mann gar nicht getroffen, wäre ich nicht durch eine Erkrankung gezwungen gewesen die Schulform zu wechseln. Hätte ich Abitur gemacht wäre ich heute vielleicht Lehrerin, Archäologin oder Operndiva? Auf alle Fälle hätten wir niemals als junge Erwachsene die gleiche Schnittstelle an Freunden gehabt, die es letztendlich erst ermöglichte dass wir uns begegneten. Ich wäre niemals in der Linie 187 zu einer Feier gefahren zu der ich eigentlich keine Lust hatte, nur, weil ich es meiner damaligen Freundin versprochen hatte. Und, ich hätte somit auch nie an einem Pfingstsamstag bis in die Morgenstunden ausgeharrt, um mit dem jungen Mann zu reden, dem ich Stunden zuvor im Bus begegnet bin. Zufall oder Schicksal, dass wir beide zur selben Party eingeladen waren?
Was wäre, wenn ich vielleicht erst mit 35 anstatt mit 25 schwanger geworden wäre und mich nicht mit 37 Jahren dann nochmal dazu entschieden hätte ein weiteres Kind zu bekommen? Vielleicht hätte ich keine drei Kinder, sondern nur eines oder gar keines? Man kann diese Überlegungen stundenlang fortführen. Man kann sich all die möglichen Leben ausmalen und daran denken, wie es wohl sein würde, wenn….. Genau das macht dieses Spiel so spannend und gleichzeitig eröffnet es dir Möglichkeiten, die du hättest ergreifen können, wenn du nur gewollt hättest.
Natürlich kann man sich ärgern und mit seinem Schicksal hadern, dass vielleicht gewisse Dinge passiert sind oder nicht. Aber dennoch, mit Traurigkeit oder gar im Zorn zurückdenken, darüber, dass man vielleicht zu mutlos, zu faul oder, die für sich falsche Entscheidung getroffen hat, das sollte man nicht. Eine kluge Frau hat einmal zu mir gesagt: << alles im Leben hat seinen Sinn<<. Ich finde, das ist nicht nur eine gute, sondern eine positive Einstellung.
Glaubt man den Psychologen so gibt es ohnehin keine schlechten Entscheidungen, sondern, immer nur die, die wir in dem Moment, wenn wir uns entscheiden müssen fällen. Und, in dem Augenblick, wo wir es tun, sind es für uns die richtigen Entscheidungen. Abgesehen davon hat man zu mindestens in den ersten 18 Jahren so gut wie kaum ein Mitspracherecht. Jedenfalls unsere Generation musste sich oftmals den Entscheidungen der Eltern mehr oder weniger still oder mit offener Rebellion beugen. Ich bin da gar nicht mehr böse drüber. Es ist ja nicht aus böser Absicht geschehen, sondern, mit besten Gewissen und Wissen. Es gibt also immer gute Gründe, wieso man so und nicht anders gewählt hat.
Dennoch kommt mir manchmal der Gedanke, dass unser aller Leben gar nicht so sehr von vermeintlich freien Entscheidungen, die wir oder andere für uns fällen bestimmt ist, sondern es am Ende doch so etwas wie Schicksal gibt das uns schon mit in die Wiege gelegt wird. Ich stelle mir immer ein Weg mit mehreren Gabelungen vor. Im Laufe unseres Lebens können wir zwischen den verschiedenen Gabelungen frei wählen. Was wir dort erleben ist dann schön, prickelnd, verheißungsvoll, weniger schön und manches Mal sogar dramatisch traurig. Doch egal, für welche Abzweigung wir uns auch immer entscheiden und, wie oft und weit wir uns auch vom eigentlichen Weg entfernen, am Ende kommen wir unweigerlich auf unseren Pfad zurück. Dem Schicksal oder prosaischer ausgedrückt seiner Fügung kann sich keiner entziehen. Was passieren soll geschieht auch!
Ein altes Sprichwort lautet>> wenn das Wörtchen wenn nicht wäre, wäre das Leben halb so schwer<<
Ich hadere nicht mit dem Wörtchen „ Wenn“. Gesetzt den Fall es gibt wirklich so etwas wie einen vorgeschriebenen Schicksalsweg, dann kann ich mich trotz einiger unerfüllten Mädchenträume und manchem harten Schicksalsschlag dennoch glücklich schätzen. Bislang war es ein guter Weg. Sicher, manchen Kompromiss musste ich eingehen und hin und wieder stockte mir vielleicht auch das Lächeln, dennoch bin ich mit meinem Leben zufrieden. Ich finde, das sagen zu können ist Glück genug.
Man soll nicht bereuen, sondern sich freuen, denn
manchmal ist das Leben dann doch viel einfacher als man denkt!
In diesem Sinne
Herzlichst eure Lilo