Das Chamäleon in uns oder, wer nachahmt, kommt besser an.
Dass sich Hundebesitzer, mit den Jahren, ihrem Hund zu mindestens im Aussehen annähern, kann man oft genug sehen. Das wir Menschen jedoch besser bei anderen ankommen, wenn wir uns in der Gestik, Mimik und Körperhaltung unserem Gegenüber anpassen, ist den meisten neu und eher unbekannt. Aber so ist es. Wissenschaftler haben herausgefunden, dass Menschen, ähnlich wie ein Chamäleon, in der Tierwelt, sich beim Kennenlernen unbewusst so verhalten. Warum wir das tun liegt auf der Hand. Menschen, die das Nachahmungsverhalten gut oder sehr gut beherrschen, erreichen dadurch einen höheren Beliebtheitsgrad. Sie sind so zu sagen:“ soziale Chamäleons“.
Als ich neulich darüber einen Artikel gelesen hatte, war ich doch sehr verwundert, über dieses Ergebnis. Bislang war ich der irren Annahme, dass genau dieses Verhalten bei anderen eher weniger gut ankommt. Wenn wir uns ein wenig zurückerinnern, hat jeder irgendeine Erinnerung aus seinem Kinderleben, das genau das Gegenteil beweist. Wer kennt nicht den kindlichen Ausspruch:“ Nachmacher X“! Ich sehe mich dann als acht Jährige, die von ihrer Freundin gerügt wurde, weil ich nichts Besseres wusste, als genau ihre Art des Lachens zu imitieren oder, mich in bestimmten Situationen ähnlich, wie Sie verhielt.
Vielleicht ist das ablehnende Verhalten eines Kindes, in Bezug auf das Nachahmen, damit begründet, dass es anders, als wir Erwachsenen, für sich den Anspruch hat, einzigartig und etwas Besonderes zu sein. Soziale Kontakte von Kindern funktionieren deutlich anders, als die der Erwachsenen. Kinder unterscheiden nicht in sozialen Stellungen oder ethnischem Hintergrund. Sympathien werden unter Kindern anders verteilt. Wenn sie jemanden mögen, liegt es nicht an der Hautfarbe oder daran, ob derjenige einen ähnlich sozialen Hintergrund besitzt, sondern, einzig daran, ob man die gleichen kindlichen Interessen hat. Dass man vielleicht von so manchem sozialen Kontakt profitieren kann, lernt man erst mit den Jahren. Das Einzige, woran sich Kinder nie unterscheiden, egal, wann sie geboren wurden und werden und wo sie aufwachsen, ist die Tatsache, dass sie in Sachen: „ mögen und nicht mögen“ manipulierbarer sind. Kinder, die von anderen in einer autarken Gruppe nicht gemocht werden, haben es schwer Freunde zu finden. Sich ein eigenes Bild machen und verantwortlich zu entscheiden, mit wem man befreundet sein möchte, gehören zu den Dingen, die man erst mit zunehmenden Alter lernt.
Aber dennoch scheint an der wissenschaftlichen These etwas dran zu sein. Mir fällt dazu ein Erlebnis ein. Als ich 10 Jahre alt war, habe ich, beim sonntäglichen Kaffeetrinken, meinen Vater täuschend echt imitiert. Meine Mutter und meine Geschwister hielten sich vor Lachen ihre Bäuche und mein Nachahmen, von bestimmter Mimik, bestimmten Gesten und Lauten, sorgte für echte Unterhaltung. Noch viele Jahre später wurde darüber gerne erzählt. Auch, wenn mein Vater, weil er arbeiten musste, davon nichts mitbekommen hatte, wusste er dennoch bestens darüber Bescheid. Was ja wiederum beweist, dass Kinder ihr Gegenüber bestens beobachten und studieren und mancher schafft es dann in Perfektion jemanden nachzuahmen. Ein Schulkollege erfreute uns regelmäßig mit einer gekonnten Imitation von Otto Walkes. Es verging keine Klassenreise, Klassenfest oder ein nachmittägliches Treffen, ohne das er irgendetwas von diesem Komiker zum Besten gab. Genervt hat es eigentlich nie und wenn, erst mit den Jahren, als wir mehr oder minder aus den Kinderschuhen entwachsen waren und uns so erwachsen fühlten. Schön, war`s aber dennoch.
Vor Jahren meinte die Mutter einer guten Freundin mir sagen zu müssen, dass Sie es witzig fand, wie meine Familie den gleichen Singsang Ton beim Hallo sagen verwendet. Sie würde niemanden sonst kennen, der das Hallo so betonen würde. Mir war es bis dato gar nicht aufgefallen. Aber sie hatte absolut Recht. Mein Mann, unsere Kinder und ich betonten das Hallo so eigenartig, dass es sich anhörte, als würden wir dieses Wort singen, anstatt zu sprechen. Dass Kinder Verhaltensweisen ihrer Eltern nachahmen, Wörter verwenden, die nur innerhalb ihrer Familie benutzt werden, ist allgemein bekannt. Ein Indiz dafür dazuzugehören, eine Einheit zu sein und letztendlich spiegelt es auch oft genug wider, wie man miteinander, innerhalb eines Familienverbundes umgeht. Individualität passiert erst später, mit zunehmendem Alter und dadurch, dass man seine sozialen Kontakte erweitert.
Nun zu lesen, dass man später sich ebenso verhält, wie als Kind, innerhalb seiner Familie verwundert mich sehr und ich komme nicht umhin, mich innerhalb meines großen Freundeskreises umzusehen, ob ich vielleicht doch das eine oder andere Verhalten, bestimmte Mimik oder Gesten und Körperhaltung, meiner Freunde übernommen habe. Intuitiv würde ich es glatt abstreiten. Ich glaube, ich lache genauso, wie ich lachen sollte, ich gehe genauso, wie ich gehen will, ich rede, so wie mir der Schnabel gewachsen ist und meine Mimik und Körpersprache hat ihre eigenen Merkmale. Dass ich über bestimmte Dinge ebenso herzhaft lache, wie meine Freundinnen, schrieb ich bislang unserem gleichen Humor zu. Auch, dass ich ab und an meine Augen ebenso rolle, wie meine allerbeste Freundin, fand ich eher belustigend als beängstigend. Tue ich es also nur, um beliebter zu sein? Eigentlich dachte ich, dass ich gemocht werden, weil ich so bin, wie ich bin und nicht, weil ich bestimmte Chamäleon Eigenschaften besitze! Aber genauso ist es. Wir tun es absolut unbewusst, es fällt uns nicht auf und das ist auch gut so. Vielleicht und das wäre das größte Übel , wird man jetzt, nachdem man es weiß, dass man bestimmte Dinge nur deshalb tut , um besser anzukommen, sich selber ein wenig mehr beobachten und feststellen, dass es doch weitaus mehr Überschneidungen gibt, als einem lieb ist.
Wobei ich allerdings glaube, dass man gewisse Verhaltensweisen, Mimik und Gesten nicht so ohne weiteres abstellen kann. Immerhin sind sie einem zu Eigen geworden. Und mal abgesehen davon, wer beobachtet sich schon wirklich immer und überall so haargenau? Ich finde, es gibt schlimmeres, als sich diesbezüglich zu ähneln oder anzugleichen. Und, wenn es dazu führt, dass man noch mehr gemocht wird, sollte es einem doch vollkommen egal sein.
Neulich ist mir ein älteres Ehepaar begegnet. Beide trugen die gleiche Windjacke, fast die gleichen Schuhe und auch im Aussehen glichen sie sich, wie ein Zwillingspärchen. Dieses gleiche Phänomen konnte ich schon vor Jahren an meinen Eltern beobachten. Damals wie heute fand ich es belustigend. Natürlich hab ich mir geschworen, dass mir so etwas nie passieren wird. Jetzt, wo ich weiß, dass es lediglich an unserer Chamäleon Fähigkeit liegt, sehe ich es ein wenig anders.
Sich als altes Ehepaar anzugleichen darauf haben wir also gar keinen Einfluss. Es passiert ebenso unbewusst, wie wir uns in jüngeren Jahren unseren Freunden anpassen. Es ist ein unbewusster Ausdruck der Zugehörigkeit. Und, wenn man als Paar vierzig oder noch mehr Jahre zusammenlebt, ist es, dann doch nur logisch das man sich aneinander angleicht. Viel interessanter ist da doch eher die Frage, wann es passiert? Vielleicht schon nach dreißig Jahren oder doch erst, wenn wir weit über sechzig sind?
Ich werde es beobachten, bestimmt, werde ich es, weil ich weder vom Alter noch von meinen gelebten Ehejahren weit davon entfernt bin. Sollte mein Mann also irgendwann anfangen im Frühling eine Überziehjacke, in Blau oder Grün anzuziehen, anstatt im T-Shirt neben mir zu gehen, ist, glaube ich, der Zeitpunkt erreicht, wo wir darüber nachdenken sollten, ob uns Individualität besser als Gleichnis gefällt. Bis dahin haben wir hoffentlich noch etwas Zeit.
Herzlichst eure Lilo