Lilo David 

Ihre Reise kann beginnen 

Die Macht der sozialen Plattformen oder, die Frage, hat uns Facebook schon verändert?    

 << ach, komm schon<<, sagt mein Enkel neuerdings,  wenn ich mal keine Lust habe, mit ihm um den Tisch zu laufen, Eisenbahn zu spielen oder Dinge zu tun, die ich, als Erwachsener albern empfinde. Warum eigentlich nicht? Beinhaltet doch dieser kleine Satz nicht mehr als, stell dich nicht so an, lass doch mal fünf gerade sein, sei verrückt und tu das worauf du Lust hast, sei nicht immer so verdammt korrekt!  Kinder haben eine Lebensphilosophie, die uns Erwachsenen irgendwie abhandengekommen ist. Dabei ist es so einfach, sich des Lebens zu erfreuen und nicht immer alles zu verkomplizieren. In unserer Welt kommt es mir manchmal so vor, als müssten wir uns alle jederzeit und ohne Unterlass gesellschaftlich und politisch korrekt verhalten. Man hat schon ein schlechtes Gewissen, wenn man zu aktuellen Themen keine Stellung bezieht, nicht gegen die derzeitigen politischen Entwicklungen wettert, kein Mitleid mit streunenden Katzen und Hunden hat und lieber faul auf seinen vier Buchstaben sitzt, als sich bei Wind und Wetter zu einer politisch- gesellschaftlichen Demonstration zu treffen. Und mal ganz ehrlich, wer heute noch wagt, das Wort Negerkuss in den Mund zu nehmen ist doch nicht nur ethisch und politisch unkorrekt, sondern gilt schon als fremdenfeindlich.  Man muss sich doch nur mal die unzähligen Einträge bei Facebook angucken und weiß, wovon ich hier rede. In 80 % aller Fälle liest man Beiträge über Flüchtlingspolitik, über den nicht mehr aufzuhaltenden Niedergang unserer Parteien, über die zunehmende rechtspopulistische Entwicklung, über die Verfolgung von Andersdenkenden, der Massentierhaltung und manche Einträge und Aufrufe ähneln denen eines Kreuzzuges anno dazumal. Es geht nicht mehr darum,  wer wir sind, was uns glücklich macht und , ob wir pure Lebenslust empfinden, bei dem Gedanken barfuß über eine Blumenwiese zu gehen, sondern darum, ob wir zukünftig unsere Welt politisch korrekt mitgestalten wollen, gegen oder für Massentierhaltung sind und uns selbstredend für eine vegetarische oder gar vegane Ernährungsform entscheiden, weil das andere zunehmend  als unkorrekt und feindlich betrachtet wird. Schon ein Bild von einem Schweinebraten mit Rotkohl oder, wie neulich eine Aufnahme eines Freundes, von einem Schaumkussbrötchen ( was für ein blödes Wort ), kann zu ausufernden Diskussionen führen und am Ende ist man ohne großes Zutun ein Tier- verachtendes und fressendes  Monster. Manche dieser Entwicklungen gehen mir mittlerweile zu weit und ich frage mich, ob es lediglich ein deutsches Phänomen ist oder, ob es Menschen in anderen europäischen und nicht europäischen Ländern ebenso ergeht und ihnen das Gespür für das Einfache und manchmal auch unsinnige schlichtweg abhandengekommen ist?

Ist man wirklich ein politisch uninteressierter Mensch, wenn man sich anstatt mit den neusten politischen Entwicklungen lieber mit dem Kauf von ein paar Schuhen beschäftigt? Bedeutet es,  sich weniger für das Geschehen draußen zu interessieren, wenn man sich unter Freunden lieber nette Anekdoten und Witze erzählt oder schreibt, als darüber zu diskutieren, inwieweit sich unsere Welt entwickelt, und ob wir wirklich genug für Umweltschutz und Klima tun, wenn wir anstatt zu duschen, lieber ein Vollbad nehmen? Verstehen Sie mich bitte nicht falsch. All diese Themen sind wichtig, aber bitteschön nicht jeden Tag von morgens bis abends.

Neulich war ich Schuhe kaufen. Gut, dass mag für den einen oder anderen nichts Wichtiges sein. Für mich hingegen ist es immer wieder aufs Neue eine emotionale Herausforderung und manchmal mit so viel Frust und Ärger verbunden, dass ich schreien könnte. Denn trotz mittlerweile unzähligen Frauen, die eine Schuhgröße jenseits der 39/ 40 tragen, hat sich die Schuhindustrie noch immer nicht darauf einstellen können. Weiß der Henker warum, die Designer und Hersteller der irrsinnigen Annahme sind, wir Frauen,  mit Schuhgröße 42- 44,  lieben es mit lediglich schwarzen Schuhen durchs Leben zu laufen? Es wäre ja nicht mal schlimm, wenn die Auswahl reichhaltig wäre. Ist sie aber nicht! Ich hätte auch gerne mal rote, blaue, gelbe Schuhe, mit Applikationen, Glitzer, Blumen, hohen oder niedrigem Absatz, die so filigran gearbeitet sind , dass man schon beim Hingucken augenblicklich total vernarrt ist. Klar gibt es einige Hersteller. Die lassen sich ihre Innovation dann aber auch teuer bezahlen. Meinen Frust hätte ich gerne mit anderen, als nur mit meiner Familie geteilt. Und, was liegt da näher, in Zeiten, wo Freunde eben nicht immer und überall greifbar sind, außer eben auf der weltweit größten sozialen Plattform,  es flink auf seinem Profil  zu posten?  Hab ich aber nicht! Und warum ? Weil ich mich nicht traute etwas derart Banales zu posten, während andere über die Ungerechtigkeiten der Welt schreiben, Bilder von Verfolgten posten und davon kundtun, dass sie sich zukünftig noch mehr um das gesellschaftliche und politische Wohl, der Welt, kümmern möchten und sich überlegen politisch aktiv zu werden. Kann ich da etwa so etwas Banales in die Welt hinausposaunen und Gefahr laufen, mich eventuell als schlichtes Gemüt bezeichnen zu lassen, der ein paar Schuhe wichtiger sind, als die Zukunft unserer Welt, unserer Tiere und der ganzen Menschheit?

So weit sind wir schon! Dass wir überlegen, was wir posten können und was nicht! Und genau in diesem Moment fiel mir der schlichte und dennoch alles sagende Satz meines Enkels ein.

<< ach, komm schon<< ist eben mehr als nur eine schlichte Aufforderung etwas zu tun, was einem anderen Freude bereitet. Es ist eine Aufforderung nicht alles so ernst zu nehmen und den alltäglichen Banalitäten eine völlig andere Gewichtung beizumessen. Das Leben besteht nicht nur aus Grautönen und Ungerechtigkeiten. Das Leben ist voller Freude und bunten Farben. Zugegeben natürlich nur dann, wenn wir sie zulassen und einfache Dinge und Gedanken als das sehen was sie sind: Unser Alltag, unser Leben und genau das, was uns manchmal so herrlich gut tut.

Meine Cousine, aus Übersee,  hat vor ein paar Monaten ihr Profil bei Facebook gelöscht. Auf die Frage warum, gab sie mir zu Antwort<< ach, es ist dort immer alles so grau und trüb. Mich machen die meisten Einträge traurig<<

Nun kann man darüber streiten, ob es überhaupt sinnvoll ist, sich auf einer Plattform, wie Facebook aufzuhalten.  Aber ebenso gut könnte man die Frage stellen, warum Menschen sich bei Sport, Gesangsvereinen oder anderen Gruppierungen anmelden und sich wohlfühlen. Die Antwort ist ziemlich einfach. Wir Menschen sind nun mal Herdentiere und halten uns gerne unter unseres Gleichen auf und irgendwie gehört es doch heute schon zum guten Ton, sich dort ein Profil anzulegen.

Theodor Storm hat, wie ich finde,  einen wundervollen Gedanken in die Welt getragen:

<< darum liebe ich die Kinder, weil sie die Welt und sich selbst noch im schönen Zauberspiegel ihrer Fantasie sehen<<

Wir Erwachsenen würden gut daran tun, es den Kindern gleich zu machen. Wir können viel von Ihnen lernen. Selbstredend darf und können wir nicht über alles hinweg sehen und unsere Augen vor dem Verschließen, was um uns herum geschieht. Darum geht es auch gar nicht. Aber ab und an einfach mal fünf gerade sein lassen, schöne und unwichtige Dinge posten, anderen seine unverfängliche Freude und Lust am Leben mitzuteilen und nicht danach zu fragen, was korrekt oder unkorrekt ist, würde zwar die Welt nicht besser machen, aber auf alle Fälle der größten social Media Plattform ein freundlicheres Gesicht verleihen.

 

In diesem Sinne herzlichst eure / ihre Lilo

 

 

 

 

 

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