Lilo David 

Ihre Reise kann beginnen 

Die alles umfassende Frage, wie gehe ich mit Ängsten anderer Menschen respektvoll um?

Mit der Angst ist es ja immer solche Sache. Ich glaube, es gibt kaum Menschen, die von sich behaupten können von jedweder Angst befreit zu sein. Diejenige, die es tun sei hier von mir aus ein respektvolles << Alle Achtung << gesagt. Ob es sich nun um die viel belächelte Angst vor Spinnen handelt, das unangenehme und oft lästige Grausen vor zu hohen Höhen oder, vor der Enge und dem Eingesperrt sein, in Fahrstühlen oder Räumen. Manche fürchten sich in dunklen Wäldern oder des Nachts auf den Straßen und singen zur Beruhigung das eine oder andere Liedchen. So ziemlich jeder plagt sich im Laufe seines Lebens mit irgendeiner Angst herum. Manchen kann geholfen werden und anderen bleibt nichts weiter übrig, als mit dieser Angst zu leben.

Also, ich bin so ein Mensch, der doch mit den einen oder anderen Ängsten behaftet ist. Mit dem Flugzeug fliegen gehört eindeutig dazu. Dank einer unschönen Erfahrung, in den Achtzigern, mit einer alten russischen Propellermaschine, würde ich nur unter Androhung lebenslanger Haft oder in großer Gefahr ein Flugzeug betreten und schon bei dem Worten“ Ratte und Maus“ ziehen sich bei mir die Nackenhaare zusammen. Als Kandidat im Dschungelcamp wäre ich undenkbar schlecht geeignet. Aufs Siegertreppchen würde ich es nie schaffen. Doch die größte Angst habe ich vor Hunden. Ja, das mag sich vielleicht in den Ohren mancher allzu sehr verliebten Hundenarren grotesk anhören, aber so ist es!   

 Meine erste Begegnung mit dem Freund des Menschen war eine Katastrophe. Zwar wurde nicht ich, sondern meine Schwester gebissen, aber es reichte, um bei mir einen gewissen Argwohn entstehen zu lassen. Später gab es Nachbarskinder, die neu hinzugezogen waren und einen großen schwarzen Schäferhund besaßen, den sie immer dann seine Zähne fletschen ließen, wenn wir sie nicht mitspielen ließen. Die Frage, ob wir sie mochten, ist überflüssig. Den Rest gab mir dann ein quirliger, brauner Jagdhund, von der Größe eines Reisekoffers, im Sommerurlaub mit Bekannten meiner Eltern. Wie alle Eltern glaubten auch meine, reinen Gewissens, dass ein Urlaub mit Hund mich von meiner Angst befreien könnte. Dieses Mistvieh jedoch nutze jedwede ihm gebotene Gelegenheit und sprang mir immer dann auf den Rücken, wenn ich ihm den selbigen zuwandte. Heilsam war das nicht. Kurz um, der „beste Freund des Menschen“ und ich sind nie eine tiefe und wirklich freundschaftliche Beziehung eingegangen. Das änderte sich auch später nicht. Irgendwie sprachen wir nie die gleiche Sprache. Das Zitat: << ein Leben ohne Hund ist möglich, aber sinnlos<< fällt mir, bei dem Gedanken an Hunde nicht ein. Wobei es durchaus Hunderassen gibt, die ich niedlich finde und denen ich mich mittlerweile auch annähern kann. Doch ab einer Größer eines mittleren Kartons bin ich heillos verloren. Ist der selbige, also der Hund und nicht der Karton dann auch noch schwarz wie die Nacht oder rennt , wie von der Tarantel gestochen durch die Gegend, würde ich am liebsten auf irgendeinem Baum klettern und dort warten , bis die Luft wieder rein ist. Und hinter mir kann ich schon mal gar kein Hund ertragen. Schäme ich mich deswegen? Nein! Ich finde, jeder Mensch hat ein Recht auf seine Ängste.

Das Problem ist ja nicht die Angst, sondern, wie andere damit umgehen oder reagieren und genau da fängt das Übel an. Den meisten ist bewusst, dass Angst oder Phobien nicht zu den Eigenschaften gehören, die allgemein akzeptiert werden. Man wird eher belächelt oder mit so vielen guten Ratschlägen gesegnet, dass man als Betroffener ganze Bücher darüber schreiben könnte. Hilfreich jedoch ist nichts davon. Doch so einfach, wie es sich die meisten machen ist es mit der Angst dann eben doch nicht bestellt. Hat die sich nämlich erstmal verfestigt, bleibt sie sitzen und rückt, nicht mal auf Aufforderung, auch nur einen Millimeter zur Seite. Hitzewallungen, Schnappatmung und dieses Gefühl, als würden sich auf Knopfdruck gleichzeitig all deine Eingeweide auf einmal zu einem einzigen Knäuel zusammenziehen erhältst du als nette Beigabe dazu. Und eher du dich versieht, mutierst du zu einem völlig hirnlosen und Panik gesteuerten Zeitgenossen.

Vor eine paar Jahren erhielt ich den guten Rat, übrigens von einer Therapeutin << sagen Sie es offen und Sie werden feststellen, dass man Ihnen Verständnis entgegenbringt<<

Ist es wirklich so? Ich fürchte Nein. Zu mindestens ist das meine Erfahrung. Die meisten Hundebesitzer, die mir in den letzten Jahrzehnten entgegenkamen und ihren Vierbeiner schon meilenweit vorher von der Leine ließen und denen ich dann im sicheren Abstand entgegenrief<< bitte, könnten Sie ihren Hund anleinen, ich habe Angst<<  reagierten mit absolutem Unverständnis. Von manchen wurde ich nur mitleidig belächelt, andere hingegen meinten, das Beleidigungen passender wäre und ganz Schlaue unter ihnen kamen, mit dem Standardsatz <<mein Hund tut nichts<<. Darum geht es doch gar nicht! Mir ist doch völlig schnuppe, ob dieser Hunde lammfromm ist. Es geht um Akzeptanz und einem würdigen Umgang miteinander.  Die Frage, ob es mir als Erwachsener leicht fiel, anderen offen meine Ängste einzugestehen, kam da niemanden.

Der Vergleich, das Alltagsleben eines Menschen, der sich vor Hunden fürchtet, gleicht einem Spießrutenlauf, liegt da manchmal schon sehr nahe. Man trifft die Fellfreunde in Restaurants. Abgestellt  unter Tischen oder mitten im Gang, was besonders schön ist, wenn man mal das stille Örtchen aufsuchen möchte. Oder, in Geschäften, zwischen den Kleider und Hosenstangen und wundert sich dann, dass man auf einem gerade neue erstandenem Kleid schwarze Hundehaare entdeckt. Man trifft sie auf Geburtstagsfeiern von Freunden, beim täglichen Einkauf, auf Spielplätzen und das ist die größte Frechheit und natürlich auf allen öffentlichen frei verfügbaren Plätzen. Sie tummeln und laufen, was das Zeug hält und sagt man etwas, wird man blöde angemacht. Da kommen dann gerne so Sätze wie<< stellen Sie sich nicht so an, Sie sind doch erwachsen<< oder, was geht Sie das an, wo ich mit meinem Hund bin<<. Einmal ist es mir sogar passiert, dass ein Hundebesitzer auf meine freundliche Bitte, er möge doch bitte seinen Hund anleinen und nicht im Restaurant frei herumlaufen lassen, mir zur Antwort gab<< sein Sie froh, dass ich ihm nicht sage, er soll sie beißen<< . Klar, dass ich irgendwann gar nichts mehr sagte und den guten Rat meiner Therapeutin ohne mit der Wimper zu zucken in den Wind schoss. Aber die Angst blieb und mit jeder weiteren unangenehmeren Begegnung wuchs sie erneut, wie eine Pflanze, die man wöchentlich gießt.

Neulich, hatte ich mal wieder so eine Begegnung. Ich wollte nur kurz Zigaretten holen. Ja, auch das gibt es noch! An der Tankstelle meines Vertrauens saß direkt an der Tür eine große Dogge. Einmal durchatmen reichte da bei weitem nicht. Stolz, wie Bolle, es dennoch geschafft zu haben, stand ich kurz darauf am Tresen. Etwas abseits stand eine junge Frau, die seelenruhig ihr Café schlürfte. Freundlich fragte ich, ob es ihr Hund wäre, der dort mitten im Weg stand? << natürlich<< antwortete Sie leicht säuerlich, so als hätte ich an ihr gerochen und Sie gefragt, wann Sie zuletzt geduscht hätte? Ebenso freundlich erwiderte ich, dass ich es nicht so nett finde, wenn ihr Hund da mitten vor der Tür steht und, ob sie ihn vielleicht zu sich nehmen könnte? Was folgte, war weder angenehm noch schön. Eher peinlich und unangenehm.

 << Ich sollte mich um meinen Mist kümmern und ihr nicht auf die Pelle rücken, das würde ihr Angst machen. Was es mich denn angehe, wo ihr Hund stünde und ich sollte sie endlich in Frieden lassen. Mein Verhalten wäre unmöglich und sicherlich wäre ich ein Hundehasser und wohl eher ein Katzenfreund, der Stolz darauf ist, seine Katze im Haus zu halten. Schämen sollte ich mich, das wäre Tierquälerei. Sowas, wie mich müsste man anzeigen. Und, wenn ich mich an ihren Hund nicht vorbeitraue müsste ich halt warten, bis sie fertig ist, so einfach wäre das! <<

 

Ja, die Ignoranz mancher Hundebesitzer ist schon sprichwörtlich. Nur nichts gegen ihren geliebten Vierbeiner sagen. Das ist in deren Augen nicht nur ein persönlicher Affront, sondern anscheinend gleichbedeutend mit einer Kriegserklärung.

Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich habe per se nichts gegen Hunde. Manche sind wirklich niedlich und lieb. Nur ich möchte halt nicht überall und immer mit ihnen zu tun haben. Ich möchte nicht ungebeten angesprungen, freudig begrüßt oder beschnüffelt werden. Ich möchte in Ruhe in einem Restaurant sitzen und mich nicht darum kümmern, ob unter irgendeinem Tisch oder vor den Toiletten ein Fellfreund hockt. Beim Kauf  neuer Sachen möchte ich nicht schon bei der Anprobe Hundehaare entdecken oder in der Umkleidekabine plötzlich neben einem Hund stehen, nur weil Frauchen mal kurz nicht aufgepasst hat und ich möchte einen Laden betreten ohne mich an einem Hund vorbeischlängeln zu müssen. Dafür möchte ich mich weder erklären noch entschuldigen müssen. Ich möchte auch keinen dummen Spruch oder irgendwelche Belehrungen hören und erst Recht nicht, mich beleidigen lassen. Ich will in meiner Angst akzeptiert werden, denn Angst, ist kein Grund, wofür man sich schämen muss. Und abgesehen davon, in vielen Fällen ist Angst auch begründet.

Nicht jeder Mensch  ist ein Fellfreund! Auch, wenn das für ausgesprochene Fellfreunde nicht immer ganz leicht zu akzeptieren ist. Und beileibe ist nicht jeder Mensch, der Angst vor Hunden hat unweigerlich ein Hundehasser.

Übrigens habe ich es dann doch noch geschafft. Ich meine nach draußen. Kein großer Schritt für die Menschheit, aber ein großer Schritt für mich. Ob mich die Reaktion dieser Hundebesitzerin geärgert hat? Und ob es das tat. So wie mich alle dummen Sprüche und Belehrungen aller Hundebesitzer maßlos ärgern. Hab ich etwas erwidert? Nein! Denn, wie so oft hatte mich die Sorge, diese braune Dogge könnte mich beim Vorbeigehen in den Allerwertesten beißen meiner Sprache beraubt.

 

 

In diesem Sinne

Herzlichst ihre Lilo.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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