Lilo David 

Ihre Reise kann beginnen 

Ein kleiner schwarzer Kreis, oder warum es gut ist das Weiße zu sehen.  

 

Wer hat sie nicht bekommen, die herzlichen und wohlgemeinten Wunschkarten zum Neuen Jahr. Ich hab nicht alle gezählt, aber es war eine ganze Menge an guten Wünschen, die mich via Mail, Smartphone und FB erreicht haben. Nicht alle mit persönlichen Zeilen. Man darf in der virtuellen Welt heute nicht so viel erwarten. Mancher schickt einfach eines dieser in Unmengen herumreisenden witzigen Videos und gut ist. Was ja auch vollkommen in Ordnung ist. Wie bei allem zählt auch hier der Gedanke. Über manche virtuelle Grußkarte hab ich mich köstlich amüsiert, und es gab sogar zwei, drei Neujahrswünsche, die dann doch so etwas wie Wärme rund ums Herz  ausgelöst haben. Und dann kurz vor Toresschluss flatterte mir ein virtueller Gruß auf mein Smartphone, der mich bis heute beschäftigt hat. Hierbei ging es um eine kleine Geschichte.

 Ein Professor hatte seinen Studenten ein weißes Blatt Papier, mit einem kleinen schwarzen  Kreis ausgehändigt und ihnen dazu die Aufgabe gegeben doch zu beschreiben was sie sehen. Alle Studenten beschrieben die Beschaffenheit des Kreises und seine mathematische Position innerhalb des Blattes. Doch keiner unter Ihnen schrieb etwas über den wesentlich größeren weißen Teil. Später erklärte man Ihnen,  dass genau das die eigentliche Aufgabe gewesen war. Sich nämlich nicht nur auf das dunkle und schwarze zu konzentrieren, sondern auf das unbeschriebene Weiße auf dem Papier.

 Überträgt man dies auf das Leben so werden wir feststellen, dass wir meistens nur die Schattenseiten sehen. Wir klagen über Krankheiten, über Geldmangel, verpasste Chancen, darüber, dass Freunde keine Freunde mehr sind und , dass das alte Jahr einfach nur schrecklich war, und übersehen dabei das Schöne und Weiße um uns herum. Wir halten so sehr daran fest, dass es uns schon als völlig normal erscheint. Wenn ich rückblickend daran denke, was ich im vergangenen Jahr in der virtuellen Welt gelesen und an Privatnachrichten gesandt bekommen habe und welche negative Grundeinstellung so mancher Bekannter, Freund und Verwandter im realen Umfeld ausstrahlte und kundtat, so könnte man wirklich beinah glauben, dass das Leben und die Welt von Grund auf Schlecht sind. Dabei ist es ganz und gar nicht an dem. Es gibt so viele Dinge, an die wir uns erfreuen können und sollten. Es schreibt nur keiner und die wenigsten sagen es. Wenn man Menschen auf der Straße begegnet, im Freundeskreis trifft, oder sich mit ihnen über unsere modernen Medien unterhält dann  redet man meistenteils über die negativen Dinge. Selten kommen da Äußerungen, über die man herzlich lachen, oder sich gemeinsam freuen kann.  Warum es so ist liegt auf der Hand, weil wir Menschen oft der irren Ansicht sind, dass das Banale des Lebens uninteressant ist. Wir reden über die Dinge die falsch laufen und uns negativ beeinflussen, darüber dass unsere Beziehung vielleicht gerade eine Krise durchläuft, das der Job einen nicht ausfüllt, dass der Geldhahn nur noch Pfennige ausspuckt , über dieses und jenes Zipperlein, über Zukunftsängste, Altersarmut und sehr viel über  das Schreckliche dieser Welt. In bunten schillernden Farben malen wir uns Horrorszenarien aus, die sich manch einer unserer großen Regisseure hätte nicht besser ausdenken können. Wir geben uns so viel Mühe uns beinah tagtäglich Blockbuster wie „ The Day After Tomorrow,  2012, Outbreak, oder Postman „ vorzustellen, dass wir  damit rechnen, dass es wirklich irgendwann passiert. Erst neulich hörte ich jemand in einer Diskussion sagen“ worüber regst du dich auf, in zwanzig Jahren gibt es uns eh nicht mehr. Die Welt wird von Wassermassen überflutet“. Ich frage mich, wie kann man mit solchen durch und durch negativen Gedanken ein zufriedenes und glückliches Leben führen?  Natürlich ist es naiv zu glauben, die Welt ist gut und das Umweltkratastrophen, Kriege und Terror wie ein Gespinst sich einfach auflöst. Doch immer nur das Schlechte und Böse zu sehen und sich ständig Gedanken darüber zu machen, was in Zehn oder Zwanzig Jahren ist kann nicht gesund sein. Wir leben im Hier und Jetzt und ist es nicht auch ungemein wichtig und erstrebenswert erst einmal mit den Tagen, Wochen und Monaten zurechtzukommen, die vor einem liegen?

 Natürlich darf und soll man seine Augen vor dem, was gerade passiert, oder passieren wird,  nicht verschließen. Ja, unsere Welt steht Kopf und tagtäglich erreichen uns Hiobsbotschaften aus aller Welt. Aber daraus den Untergang der Welt zu kreieren kann nicht das Leben bestimmen.  Ich weigere mich einfach dieses Spiel mitzuspielen und alles grau und schwarz zu sehen. Vielleicht mag meine Einstellung naiv sein und am Ende bin ich die Dumme. Wer weiß das schon!

 Eigentlich wollte ich mir dieses Jahr keine Vorsätze für das neue Jahr vornehmen. Meistenteils scheitert man an seiner eigenen Courage, und wenn es nicht klappt ist man am meisten von sich selbst enttäuscht. Doch dieser Neujahrwunsch hat mich zum Umdenken gebracht.

  Was ich meine sind nicht die guten alten Vorsätze. Ich werde weder mit dem Rauchen aufhören, wenn es passiert dann passiert es so oder so. Auch auf mein gelegentliches Glas Wein möchte ich nicht verzichten. Was ich meine ist eher eine neue grundstätzliche Lebenseinstellung und ich glaube, dass sie mir langfristig besser tun wird, als dieses tägliche Grübeln und Ängsteschüren. 

  Ich möchte mich nicht mehr aufreiben an den Dingen, die ich so oder so nicht ändern kann. Was draußen in der Welt geschieht, geschieht nicht, weil ich Interessenlos bin, sondern es passiert, weil mein Einfluss darauf dermaßen gering ist, dass ich  letztendlich nichts weiter bin als Statist. Ich kann  die Ungerechtigkeiten dieser Welt nicht mehr aufhalten, bestenfalls kann ich durch mein Verhalten die Welt menschlicher und humaner gestalten. Aleppo und die vielen anderen Kriegsschauplätze haben gezeigt, dass unsere Rufe und Bitten weitaus weniger genutzt haben als man es sich gewünscht hätte. Das Einzige was ich wirklich beeinflussen kann  ist mein eigenes Leben.

 Veränderungen fangen im Kleinen und nicht im Großen an. Vielleicht ist es gut sich auf das Wesentliche zu besinnen und sein weißes Blatt Papier mit Licht und bunten Farben neu zu gestalten, anderen gegenüber offener, herzlicher und menschlicher  zu sein, mehr über die Dinge zu reden, die  zwar für andere  banal erscheinen aber für mich wichtig sind.

 Sich auf das eigene Leben zu besinnen bedeutet nicht weniger Interesse am großen Weltgeschehen zu haben. 

 Aber, es ist schon wahr,  wenn ich nur noch auf den kleinen schwarzen Kreis achte geht es mir bald genauso wie den Studenten. 

Ich werde blind gegenüber den Schönheiten und Kleinigkeiten, die unser Leben lebenswert sein lassen.

In diesem Sinne

Herzlichst eure / ihre Lilo

 

 

 

 

 

 

 

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