Lilo David 

Ihre Reise kann beginnen 

Erst die Pflicht, dann das Vergnügen , oder warum es gut ist, mal fünf gerade sein zu lassen.

  

Also, mal ehrlich. Ich Vollzeit-Hausfrau und gelegentliche Gastgeberin muss doch von allen guten Geistern verlassen sein. Wie sonst kann es sein,  dass ich Tage vorher Haus und Hof auf Vordermann bringe, und das gleiche nochmals,  nur dann das Ganze rückwärts, wenn die Feierlichkeiten vorüber sind? Ich hab dazu eine ganz simple Erklärung. Die Erziehung ist schuld. Und die meinige muss ich aufgesogen haben wie ein  Schwamm das Wasser. Es gibt keine andere halbwegs plausible Erklärung dafür, dass ich die eigentlich lästigen und überflüssigen Verhaltensmuster wie Phönix aus der Asche regelmäßig und in beinah vollendeter Manier auferstehen lasse. Nur damit ich nachher sagen kann: „ Alles ist perfekt und schön“.  Ich kann tun was ich will, ich werde diese Marotte einfach nicht los. Weder mit gutem Zureden noch mit langatmigem Gleichmut. Jedes Mal, wenn es heißt: „ Wir geben eine Feier „ beginne ich schon tagelang vorher mit dem Aufräumen und Putzen. Soll ja alles picobello sein. Und während ich mit Besen und Schrubber durchs Haus turne, jede Ritze gründlich wienere und selbst nicht davor halt mache meinen Mann mit diversen Aufträgen „ denkst du noch an die Leiste, und bitte räume den Mist im Garten weg , und ach , es wäre wunderbar, wenn du auch gleich noch den Schrank reparierst“ ,nerve und hin und wieder zur Weißglut treibe, schwirren in meinem Kopf Sätze herum wie:

„ Erst die Pflicht, dann das Vergnügen „oder, was man heute kann besorgen, dass verschiebe nicht auf morgen“.

Es ist zum Mäusemelken, wie man so schön sagt. Mein unermüdlicher Tatendrang kündigt sich unweigerlich an. Erst kribbelt es im Bauch, dann in den Fingern und zum Schluss macht sich mein innerer Löwe bereit aus seiner Deckung zu springen, um jedes noch so kleine Krümelchen den Garaus zu machen. Da müssen noch unbedingt die Gardinen ab und in die Waschmaschine, die kaputte Leiste ersetzt, die schräge Lampe gerade gehängt werden, der Teppich im Wohnzimmer mit Polsterschaum gereinigt, der seit Wochen angesammelte Mist im Garten weggebracht werden , das Unkraut gezogen und alte Blumen durch neue blühende ersetzt werden. Und, als ob das nicht schon genug wäre, putze ich noch Fenster, Türen und wasche sämtliche schmutzige Wäsche im Haus. Dabei ist das alles überhaupt nicht notwendig. Bislang hat noch nicht ein einziger Gast in meine Schränke, geschweige denn in meinen Wäschepuff geguckt, und sich auch nie von mir mit den Worten verabschiedet: „ Du,  wie wär’s mal mit Fenster putzen“

Alles für die Katz, sage ich. Und dennoch tue ich es immer und immer wieder. Gut. So schlimm wie früher bin ich nicht mehr. Da konnte es durchaus schon mal  passieren, dass ich nach dem Kaffee trinken mit dem Staubsauger einmal durch die gute Stube geflitzt bin. Heute sehe ich einiges gelassener. Aber nie vorher. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.

Ja. Ich scheine diesbezüglich salopp ausgedrückt nicht mehr alle Tassen im Schrank zu haben. Und obwohl mir absolut klar ist, dass ich in dieser Sache nicht ganz richtig im Kopf bin, kleben alte Erziehungsdogmen wie alter  Kaugummi in meinen Gehirnwindungen. Nichts, aber auch wirklich nichts scheint schwieriger los zu werden, als frühkindliche Erziehung. Und meine war preußisch und zwar durch und durch. So etwas bleibt hängen. Ob man will oder nicht. Der Inhalt unserer Schränke wurde mit einem Metermaß akribisch kontrolliert. Jeder Pulli musste wie ein Zinnsoldat, in Reih und Glied liegen. Und wer beim Essen schmatze, dem wurde angedroht demnächst im Schweinestall seine Mahlzeit einzunehmen. Dabei hatten wir nicht mal einen.

Ja. So ist es mit gründlicher oder furchteinflössender Erziehung. Man schleppt sie bis ins Alter mit sich herum.   

 Ich dachte immer, wenn man erst einmal spitz bekommen hat, wie der Hase läuft, dass sich dann einige Dinge von ganz alleine lösen. Doch irgendwie tut sich in dieser Richtung rein gar nichts. Das Wissen alleine reicht wie immer nicht aus. Am Ende sitze ich fix und fertig aber glücklich über ein gelungenes Fest spät in der Nacht bei einem  Glas Wein  und stelle erstaunt fest, dass ich weder gegessen  noch Müßiggang  betrieben habe. Stattdessen tun mir meine Füße weh,  mein Magen knurrt und mein Blick schweift auf Böden, die aussehen, als wären alle Mannschaften der EM  mit dreckigen Schuhen durchgelaufen. Auf den Tischen klebt Cola und Reste von Wein und Sekt  und der zuvor gereinigte Teppich hat einen neuen Fleck. Meine frisch geputzten Fenster hat wie immer niemand auch nur eines Blickes gewürdigt, und ob meine Wäsche gewaschen, oder mein Wäschepuff bis zum Bersten gefüllt ist, hat auch niemanden interessiert.

Was soll`s denke ich dann. Wenigstens war alles ordentlich und sauber und das ist gut so. Völliger Blödsinn ist das. Wen oder was interessiert es schon, ob meine Wohnung picobello glänzt, alle Gläser geputzt, jeder Krümel beseitigt und jedes Kissen fünfmal geschüttelt wurde, bevor ich es zurück aufs Sofa lege. Niemanden , außer mir selbst. Und tue ich mir damit einen Gefallen? Nein. Natürlich nicht.

Ich stresse mich, ohne dass ich mich eigentlich stressen möchte. Stress ist mir im Prinzip zu wider. Dennoch halte ich fest an diesem verflixten Dingen, wie die Königin an ihrer Krone.

Wäre es nicht viel entspannter, wenn ich mich einfach auf das bevorstehende Fest freuen würde. Alles seinen Lauf lasse und nur die Dinge erledige, die wirklich wichtig sind? Sicherlich wäre es das. Aber würden wir immer alle genau das tun, was gut für uns ist und exakt das aus lassen, was überflüssig und unnütz ist, wären wir alle perfekte Menschen. Und mal ehrlich. Wer ist das schon von uns.

Erziehung ist nun einmal das was wir von unseren Eltern mitbekommen. Ob wir nun wollen oder nicht. Und ob diese gut oder weniger gut gewesen ist,  ist eine reine subjektive Ermessenssache. Dem einen gefällt es und dem anderen sind gewisse Verhaltensweisen ein Leben lang ein riesengroßes Rätsel. Objektivität kann es da nicht geben. Lediglich ein Einsehen nach vielen Jahren unnützem Handeln.  Und selbst dann, wenn wir wissen, dass gewisse Handlungen eher kontraproduktiv sind, heißt es noch lange nicht, dass wir fähig sind darauf zu verzichten.

Dabei ist es so wahnsinnig gut, einfach mal fünfe gerade sein zu lassen. Was ist so schlimm daran, sich erst dem Vergnügen hinzugeben und die Pflicht, wenn es dann eine gibt später zu verrichten oder gänzlich den Laufpass zu geben? Nichts. Wäre da nicht der innere Zwang.

Nun muss nicht jeder innere Zwang gleich zu einer Neurose heranwachsen. Und in meinem Fall ist es, wenn überhaupt nur eine klitzekleine und für andere eine unschädliche Marotte. Dennoch ist sie da und lässt mich jedes Mal über mich staunen,  weil ich mir immer wieder und ganz fest vornehme , beim nächsten Mal dem Staubsauger eine Absage zu erteilen, die schmutzigen Fenster zu übersehen, die Wäsche freundlich anzulächeln, die Kissen zerknittert zurückzulassen und einfach mal nichts zu tun. Nur um dann erneut  festzustellen, dass ich mal wieder keinen meiner guten Vorsätze habe einhalten können.

So ist es wohl  mit uns Pflicht-bewussten-Menschenkindern. Wir können nicht aus unserer Haut. Es sei dann----------------------- eben…. Manche Marotte hegt und pflegt man ja auch wie ein lieb-gewonnenes Haustier. Meines wird wohl doch noch lange bei mir wohnen. Und wenn ich es irgendwann doch mal schaffe vorher fünf gerade sein zu lassen, dann lasse ich es euch wissen…….. Ich weiß ja, dass es gut tut. 

Versprochen.

In diesem Sinne

Herzlichst eure Lilo

 

 

 

 

 

 

     

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