Lilo David 

Ihre Reise kann beginnen 



Nur nicht schlapp machen, oder die Sache mit dem älter sein. 


Das Alter spielt heute keine große Rolle mehr. Dreißig ist das neue zwanzig, vierzig das neue dreißig und fünfzig das neue vierzig und sollte es dennoch  jemand  wagen, mit einem „ Ja, aber“ zu kommen, so wird derjenige sich den Vorwurf gefallen lassen müssen als Verräter an Altersgenossen bezeichnet zu werden, oder wird milde belächelt. Gerne werden dann Sätze zitiert wie: << ach, komm schon, so alt bist du ja nun auch noch nicht<<Nee, bin ich auch nicht und dennoch, ob man es glaubt oder nicht gibt es Tage da fühle ich mich genauso alt wie ich bin, oder sogar so alt wie Methusalem. 

  Ja. Alter spielt heutzutage keine Rolle mehr und die Grenzen, die früher Generationen geteilt haben  sind nirgendwo mehr zu finden. Was Jüngere tun, tun die Älteren ihnen gleich. Was für uns Ü vierzig/  fünfzig noch selbstverständlich war, nämlich die Abgrenzung zu unseren Eltern, sei es durch unsere Kleidung oder die Musik, ist heute Schnee von gestern. Wir sind selbstredend mit der Generation unserer Eltern und Großeltern nicht mehr zu vergleichen. Es zu tun würde bedeuten, Äpfel mit Birnen zu vergleichen und wer will das schon? Heute erfreuen wir uns wie selbstverständlich an der gleichen Musik, schauen dieselben idiotischen Sendungen im Fernsehen, kaufen unsere Kleidung in denselben Läden und probieren lachend so  als wären wir gestern erst aus den Teenager-Schuhen entschlüpft,  mit unseren Freundinnen, die neuesten Modetrends. Die Gesellschaft macht im Alter keine Unterschiede mehr. Ja selbst, wenn es darum geht sich die Nacht um die Ohren zu schlagen stehen wir Älteren unseren jüngeren Artgenossen in Nichts nach. Den einzigen Unterschied, den man vielleicht hier und da feststellen mag, ist der Umstand, dass wir nicht erst um ein Uhr nachts losziehen, sondern beizeiten zusehen, dass wir irgendwo ein Plätzchen ergattern. Nicht alt zu werden oder, zu sein ist heute schick und irgendetwas anderes zu behaupten kommt einem  Hochverrat gleich.

Die Generation derer, die in den Fünfzigern, Sechzigern und Siebzigern geboren sind hat gelernt so wandelbar wie ein Chamäleon zu sein. Es gehört zum guten Ton, dass man bei einem wöchentlichen Sportprogramm, mindestens zwei, wenn nicht dreimal in der Woche der natürlichen Anziehungskraft entgegenwirkt. Ebenso selbstverständlich ist es, dass man nicht wie frühere Generationen, seine Kleidung in Damenoberbekleidungsgeschäfte  kauft sondern, in schicken In- Läden und, dass  Mütter so manches Kleidungsstück  mit ihren Töchtern tauschen ist kein Hirngespinst, sondern entspricht Tatsachen. Trafen sich unsere Mütter noch zu einem wöchentlichen Damenkränzchen, so nennen wir es heute salopp Mädelstreff. Und wo damals Likör ausgeschenkt und hinter vorgehaltener Hand über die Ehemänner hergezogen wurde, trinkt man heute Sekt, geht ins Kino ,  auf Ü dreißig Partys, wo man nicht minder albern ist  als die jungen Hüpfer und tanzt bis der Arzt kommt. Die Welt der Alten ist  ausgestorben wie vor Millionen Jahren die Dinosaurier.

  Grenzen verschwimmen und rein vom Äußerlichen kann man heute niemanden mehr so richtig altersmäßig einschätzen. Ausnahmen bestätigen hier natürlich wie immer die Regel.  Erst neulich hatte mich eine Bekannte mit meiner Tochter verwechselt und beim letzten Besuch meines Enkelsohnes meinte eine ältere Dame sogar << Ach, Sie haben aber einen süßen Sohn>>   Ist das nun ein gutes Zeichen? Und wenn, dann frage ich mich für wen? Ehrlich, als ich dreißig war hätte ich nicht gewollt, dass man mich mit meiner eigenen Mutter verwechselt und erst Recht nicht, dass man Sie für die Mutter meiner Kinder hält.  Wobei es heute ja nicht ungewöhnlich ist, erst mit Mitte oder Ende vierzig Elternfreuden entgegenzusehen. Ja, Alter spielt heute keine große Rolle mehr! In mancher Hinsicht mag es auch von großem Vorteil sein, wenn es nämlich darum geht beruflich noch einmal neues anzufangen, oder die Karriereleiter eine Stufe höher zu klettern. Zu mindestens hier nagt nur noch selten der Zahn der Zeit. Alles scheint möglich zu sein, in unseren Zeiten. Schlussendlich heißt es doch auch: „ Wer rastet der rostet“ und mal ehrlich, wer will schon freiwillig zum alten Eisen gehören? Und dennoch frage ich mich manchmal, sind wir wirklich alle so jung wie wir gerne behaupten zu sein?  Im Vergleich zu einem Achtzigjährigen  sicherlich. Und, dass eine Äußerung wie die, wenn mir jemand lächelnd ins Gesicht sagt << Du bist doch noch jung>> mich schon ein bisschen in Hochstimmung versetzt, gebe ich gerne zu. Dennoch, wenn ich ganz realistisch darüber nachdenke, bin ich alles andere als das. Ich meine jung!

 Bitte, nicht falsch verstehen. Ich meine nicht damit, dass ich irgendwo im Schaukelstuhl sitzen möchte und strickend meinen Lebensabend verbringen will.  Abgesehen davon könnte ich das auch gar nicht, da ich nicht stricken kann.  Aber ich möchte schon das Recht haben zu sagen, dass ich mich für gewisse Dinge einfach dann doch schon zu alt fühle und zwar ohne schräg angesehen und belächelt zu werden und, wenn mir um Mitternacht die Augen zufallen, dann möchte ich  verdammt noch mal  es auch sagen können ohne mich dafür ellenlang erklären zu müssen , oder Sätze zu hören wie>> Mensch, du bist doch keine Oma>>.Doch verdammt genau das bin ich und zwar seit über einem Jahr. Und, dass ich mich meinem Enkel gegenüber als Omi bezeichne ist völlig normal und nicht wie ein Bekannter neulich zu mir meinte ein unmöglicher Ausdruck, den er fürchterlich findet, weil es mich alt macht.

 Ich frage mich wirklich, was läuft hier falsch. Es ist paradox. Jeder möchte alt werden aber nicht alt sein. Und es stimmt schon wir tun verdammt viel dafür  den Jüngeren auf vielfältiger Weise zu zeigen, dass wir noch genauso Top fit sind wie sie. Uns hält nichts mehr auf! Nicht mal mehr unsere kleinen oder großen Wehwehchen. Um mitzuhalten schieben wir  uns irgendwelche Mittelchen für ein vitaleres Leben ein , und auf die Idee einen Abend unter Freunden abzusagen, weil du es im Kreuz hast, oder du dich für die ausgesuchte Lokalität dann doch schon zu alt fühlst, kommst du einfach nicht. Niemand schiebt sich heutzutage noch  freiwillig die rote Karte zu. Lieber wirfst du dich in Schale und bist kurz darauf mitten im Getümmel und machst die Nacht zum Tag.

 Hätte ich jedoch den Arsch in der Hose, den ich von anderen so gerne erwarte, würde ich anders handeln. Tu ich aber nicht, weil ich mich ebenso wie viele meiner Altersgenossen dem ewig jugendlichen Wahn längst hingegeben habe,  und trotz eines besseren Wissens so manches tue, was für mich am Ende  weder gut ist noch mich wirklich glücklich macht. 

Würde ich nur ab und zu  ein wenig mehr  auf meine innere Stimme und meiner körperlichen Verfassung hören und mir bewusst machen, dass Mitte fünfzig eben doch nicht  das neue vierzig oder gar dreißig bedeutet, würde mir so manches abendliche  Fiasko erspart bleiben. Ganz  sicher hätte ich dann  neulich keinen  Abend   zwischen  lauthals  redenden Männern, denen  auch schon mal das eine oder andere Bier auf den Boden fiel  und  jungen Mädchen, die kichernd und kokettierend, um die Gunst der anwesenden jungen Männer buhlten verbracht,  und mich  ebenso deplatziert gefühlt  wie der Weihnachtsmann zu Ostern.  Vom langen sitzen auf viel zu harten Holzstühlen tat mir irgendwann mein Hintern weh, mein  Kopf dröhnte von dem nicht leiser werdenden  Geräuschpegel und mein Versuch mich mit meinem Gegenüber zu unterhalten scheiterte zum dritten Mal daran, dass neben mir eine Horde junger Männer grölend irgendwelche Lieder zum Besten gab.

  Und Nein! Allem  Jugendwahn zum Trotz  und auch,  wenn mancher anders darüber denken mag, ist es  dann kein Vergnügen festzustellen, dass man altersmäßig durchaus die Mutter alle Anwesenden sein kann , die Musik  genau die ist, zu der man 35 Jahre zuvor ausgelassen getanzt hat und du deine Müdigkeit nur noch deshalb unterdrücken kannst , weil du auf keinen Fall mal wieder  ein  Spielverderber sein möchtest und erst Recht nicht als Alt bezeichnet werden willst.  Mir jedenfalls wurde eines ziemlich klar.

 Die Grenzen mögen vielleicht verwaschen sein und  in den Köpfen der meisten mag es zwischen  zwanzig und sechzig kaum noch Unterschiede geben.  Doch ich für meinen Teil habe mir vorgenommen das nächste Mal meinen Arsch an den Hörnern zu packen und zu sagen, dass ich mich in einem urgemütlichen Weinlokal, von mir aus auch mit leiser Schrammelmusik,  tausendmal  wohler fühlt als unter jungen Hüpfern auf dem Kiez. 

Alt zu werden tut nicht weh.... es kostet allerdings Mut es sich selber einzugestehen . Aber es heißt auch : 

DEN MUTIGEN GEHÖRT DIE WELT!    

In diesem Sinne

Herzlichst ihre  / eure Lilo   

 

 

 

  

 

 

 

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