Lilo David 

Ihre Reise kann beginnen 

Selbstoptimierung................ kann mich mal.

Kein anderes Wort  hab ich in den letzten Wochen so oft gehört wie Selbstoptimierung. Und ehrlich, manches geht mir so was von auf den Geist, dass sich bei mir augenblicklich, wenn jemand auch nur ansatzweise dieses Wort in den Mund nimmt,  sämtliche Nackenhaare hochstellen. Schlimmer sogar. Neuerdings verspüre ich sogar den inbrünstigen Wunsch diese Person sofort und direkt so lange zu schütteln, bis sich  sein Verstand halbwegs normalisiert hat.  Ganz zu schweigen davon, dass sich meine Magengrube anfühlt als hätte ich gleich eine ganze Kolonie an Ameisen verschluckt.  Egal, wo man ist , oder unter welchen Gruppierungen man sich auch aufhält, man findet  garantiert eine Person, die einem erklärt wie das Leben funktioniert und das doch alles viel besser ist, wenn man sich endlich selbst optimieren würde.

Ein Freund meinte neulich zu mir“ Reg dich nicht auf. Das ist doch heute alles normal“.

Ist es das wirklich? Es scheint so, denn irgendwie kommt es mir so vor, als wäre Selbstoptimierung mittlerweile zum gesellschaftsfähigen Breitensport geworden. Immer höher, weiter, schneller und am besten so optimiert wie nur irgend möglich. Tut mir leid. Da kann und will ich nicht mehr mithalten. Ich mag mich so wie ich bin. Lange genug hab ich dazu gebraucht. Dennoch beschäftigt mich die Frage, was  Selbstoptimierung bedeutet?  Bedeutet es,  dass man an sich so lange schraubt, dreht und sein Inneres nach eventuellen Fehlkonstruktionen absucht, bis vom eigentlichen ich nichts mehr übrig bleibt, oder, schlichtweg einer Horde  hinterherzulaufen und mit ihnen das gleiche Lied zu singen.  

Natürlich muss man sich verändern. Es wäre ja schrecklich immer auf demselben Punkt stehen zu  bleiben. Aber bislang dachte ich,  naiv wie ich manchmal sein kann, dass das eine ganz normale Entwicklung ist und zum Erwachsenwerden dazu gehört, wie Liebeskummer und Selbstzweifel. Aber anscheinend ist das nicht so. Nur wer sich heutzutage selbst optimiert kann mitreden und weiß, wie das Leben läuft. Alle anderen sind die dummen Schafe, die nur blöken und von Nichts eine Ahnung haben.

Jede Zeit hat  seine Phase. In den Achtzigern war es trendy sich wie Jane Fonda in mondänen Fitnessclubs schweißtreibend an seine Pfunde zu machen. In engen Sporthosen, Glitzer- Sporthemden (übrigens auch die Männerwelt – man höre und staune ) und bei den Frauen dessen Haare – vorausgesetzt man hatte lange Haare –  zu atemberaubenden Kreationen hochgesteckt, sportelte man was das Zeug und die Kraft aushielt. Wer kein Sixpack hatte oder aussah, wie die selbsternannte Aerobic –Queen  war außen vor. In den Neunzigern hielt das Computer – Spielkonsolen und Handyzeitalter in fast jedem Haushalt Einzug und irgendwann wusste auch der letzte Depp was eine SMS und ein Nintendo war.  Nach dem Millennium zog die  Schönheitswelle wie ein Tornado über uns hinweg. Wer nicht mindestens einmal beim Schönheitschirurgen im Wartezimmer gesessen hat gehörte irgendwie nicht dazu. Mittlerweile lassen sich sogar junge Mädchen die Lippen aufspritzen, die Brüste richten und den Bauch vom Fett befreien. Aber ehrlich. Nichts von alldem fand ich so nervig wie die Selbstoptimierung.

Das Schlimme  ist, es beginnt schon vor der Geburt. Unmittelbar nach der Empfängnis wird schon der erste Optimierungsplan festgesetzt. Es darf nicht irgendein Krankenhaus sein. Es muss absolut auf Geburten vorbildlich optimiert sein. Dass Muttermilch ebenfalls optimiert ist, versteht sich von selbst. Neben etlichen Zusatzstoffen hat die werdende Mama alles getan, um sich und das Baby zu optimieren.  An die Haut und dem Popo des neuen Erdenbürgers kommen nur Materialien, die nicht nur fair, sondern, absolut einwandfrei hergestellt worden sind. Seidenraupen-Baumwolle ist hier der neuste Trend.  Man zahlt zwar nee Menge dafür aber erhält auch ein unterzeichnetes Zertifikat. Sobald das Kind zu Hause ist, wird es beim Pekip- Kurs angemeldet. Nur nichts versäumen und beim ersten halbwegs verständlichen Ton wird das Kind  auf die Liste eines zweisprachigen Kindergartens gesetzt. Wer es morgen zu etwas bringen will, muss früh anfangen. Die musikalische Früherziehung ist seit Jahren ein MUSS und das natürlich nur eine Schulform in Frage kommt,  die beim Optimierungsplan absolut konform geht ist doch logisch. Immerhin sieht man in seinem kleinen Erdenbürger doch schon den Nobelpreisträger von Morgen. Da ist es doch egal, ob der Nachwuchs  dafür quer durch die Stadt muss und seine Freunde nur dann treffen kann, wenn Mama und Papa neben ihrer eigenen Selbstoptimierung noch Zeit finden per Auto den Fahrdienst zu übernehmen , oder schlimmstenfalls vergessen, dass sie Kinder haben.

 Die ersten gemeinsamen Urlaube verbringt man nicht  wie wir damals einfach in Dänemark , sondern, man schaut wo man so optimal wie nur möglich den Urlaub verbringen kann, damit Papa noch rasch seinen Sprachkurs neben dem Surf Kurs und Tauchkurs absolvieren kann und Mutti optimal Zeit hat, um einen Mandarin-Sprachkurs mit Auszeichnung zu bestehen und ganz nebenbei im Wellness- Programm des Hotels nicht nur sich , sondern Körper , Geist und Seele optimiert.  

Heute wird 0ptimiert und zwar rund um die Uhr und ohne Verluste. Ist doch wurscht, ob der eine oder andere dabei auf der Strecke bleibt. Wer nicht optimiert wird schon sehen was er davon hat.

So wie wir früher faul auf dem Sofa saßen das ist heute ein absolutes No-Go.  Während im Fernsehen gleichzeitig vier Sendungen  nebeneinander über den Bildschirm flacken, natürlich alle klein optimiert,  wird auf dem Tablet noch schnell nach den neuesten Börsenberichten geschaut,  sich rasch für ein Fernstudium angemeldet , man verfügt zwar schon über einen Bachelor und Master, aber schlussendlich muss man sich auch bildungstechnisch dem Optimierungstrend anpassen und für das Wochenende wird  nicht nur eine, sondern gleich zwei oder drei Verabredungen getroffen. Zum Frühstück trinkt man nur einen Smoothie und während einem  das pürierte Obst die Kehle herunter läuft, schaut man im Live-Stream die Breaking -News  , checkt seine E- Mails, läuft noch einmal kurz um den Block  und setzt für den Nachmittag rasch  noch zwei Termine fest.  Nur keine Zeit verlieren in seiner Selbstoptimierung. Wer rastet der rostet und im schlimmsten Fall kriegen die anderen die fetten Stücke ab  und man selbst muss sich am Ende mit dem Rest zufrieden geben. Das darf auf keinen Fall passieren.

Neulich meinte mein Schwiegersohn, dass er auf keinen Fall  Alltag will. Alles kann optimiert werden. Den Haushalt übernimmt ein Putzkraft, den Einkauf erledigt man über den Online-Bestell-Service und das Kochen übernimmt – höchstwahrscheinlich derjenige, der zwischen seiner Selbstoptimierung noch Zeit findet. Ansonsten reicht auch eine Pizza in der Hand. Die frei gewordenen Zeit könnte er dann optimal nutzen.

 Schön…….. Aber…..Wissen Sie was?

Die Selbstoptimierung kann mich mal und zwar kreuzweise.

 Neben dieser ganzen Selbstoptimierung, dem Hetzen nach Erfolg,  den Anstrengungen höher und schneller als die anderen zu sein, der Angst etwas zu verpassen ,oder nicht gut genug zu sein und immer noch eine Schippe drauf zu legen, wird der Alltag und das Leben so lange optimiert, bis man nicht mehr weiß, ob man Männlein oder Weiblein ist. Und irgendwann passiert genau das, was nicht passieren sollte.

Man verliert die Lust am Leben.

 Verlernt,  das man aus Erfahrungen klug werden kann- und das ein gewisses Scheitern einfach zum Leben dazu gehört. Für das Menschliche, für ruhige Stunden, für die Sinnlichkeit des Seins, für den schnöden Alltag  findet man bei aller Selbstoptimierung keinen Platz mehr. Dafür aber garantiert irgendwann ein ruhiges Plätzchen beim Seelen- Klempner. 

Da nehme ich mir doch lieber meine Tasse Kaffee, setzte mich auf mein heimisches Sofa und lass die Selbstoptimierung, Selbstoptimierung sein. Und wenn das nächste Mal jemand kommt und mir erzählen möchte, dass ich mich doch endlich mal selbst optimieren sollte, damit ich meine Zeit optimaler nutzen kann,  dann unterdrücke ich meine Lust ihn zu schütteln und schenke ihm dafür mein freundlichstes Lächeln.


Mir geht’s gut

 

In diesem Sinne

Herzlichst eure Lilo

 

 

 

 

 

                        

  

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