Tauschen ? Nein Danke! Oder, warum ich heute keine junge Mutter mehr sein möchte.
Also ehrlich, tauschen möchte ich mit den jungen Müttern heute nicht. Sie müssen ja nicht nur perfekt aussehen, innovativ, sportlich und fit sein, sondern darüber hinaus erfolgsorientiert sein und möglichst die Karriereleiter im Dauerlauf emporklimmen. Optimiere dein Leben, dann kannst du beides haben: Kind und Karriere! Genau das ist es, was man in diversen Zeitschriften für moderne Mütter und Frauen lesen kann. In Leitartikeln werden große Familienbetten angepriesen wie Sauerbier., in denen den Eltern, aber vor allen Dingen den Müttern mit Sätzen wie << lassen Sie ihren kleinen Liebling ja nie alleine<< oder << die Nähe der Eltern ist gut für die kindliche Entwicklung. Tun Sie es am besten 24 Stunden am Tag<< per se schon ein schlechtes Gewissen eingetrichtert wird.
Anders ist es ja auch kaum noch möglich, will man seinem Nachwuchs in nur drei Monaten begreiflich machen: << Hey , ich bin die Mama! Nein, das ist nur die liebe Tante , die in Zukunft auf dich 8 bis 10 Stunden aufpassen wird<< und damit auch alles reibungslos funktioniert findet man in anderen Artikel zusätzlich Tipps für einen raschen und unkomplizierten Wiedereinstieg nach der Babypause ebenso wie die schnelle Gymnastik für zuhause, die man mal eben zwischen Windelwechsel und Füttern mit einem Lächeln im Gesicht und überaus motiviert und mit Leichtigkeit absolvieren kann, damit man bereits sechs Wochen nach der Niederkunft aussieht, als hätte es die vorherigen neun Monate und die anstrengende Geburt nicht gegeben.
Den Müttern von heute wird die Selbstoptimierung sozusagen schon mit der Zeugung in die Wiege gelegt. Noch bevor überhaupt das erste Babygeschrei zu hören ist, hat man selbstredend einen Kita-Platz, den Nachwuchst bei der musikalischen und kreativen Frühförderung angemeldet, eine Laufkarre angeschafft, damit man im Dauerschritt durch den Park joggen kann und natürlich hat Frau sich am besten schon mal vorher den Abteilungsleiterposten gesichert. Karriere sichern ist so heilig, wie das Amen in der Kirche.
Kein Wunder also, dass den jungen Müttern von heute nichts anderes einfällt , als sich und anderen 24 Stunden am Tag zu beweisen, wie leicht es doch ist Kinder, Karriere und gutes Aussehen unter einem Hut zu kriegen. Natürlich haben derartige Zeitschriften, die ihnen angeblich dabei helfen wollen, einen reißenden Absatz. Ein Ertrinkender nimmt schließlich auch jeden Strohhalm, um nicht abzusaufen! Und sollte das alles immer noch nicht reichen, ja, dann gibt es auf diversen Internetseiten innovative Ratschläge von selbsternannten Work-Family- optimierten jungen Müttern, die selbstredend an Frauen, die es, warum auch immer nicht schaffen so zu sein, wie sie zu sein haben, kein gutes Haar lassen. In Beiträgen , selbstredend von Müttern gemacht, wird mit erhobenem Zeigefinger anderen Müttern Auskunft darüber gegeben, wie Frau es schafft innerhalb eines Monats ihre alte Figur wieder zu erlangen, trotz Kind ein erfülltes Sexualleben zu haben und selbstredend natürlich auch ein überaus bereicherndes und erfüllendes Berufsleben. Ganz zu schweigen davon, dass sich heute junge Mütter gegenseitig vormachen, wie glücklich und zufrieden sie sind und, dass die eigene Erfüllung nicht darin liegt sich lange und intensiv um seinen Nachwuchs zu kümmern, sondern darin das Optimale aus allem herauszuziehen. Denn nichts anderes wird heute von ihnen erwartet. Wer es nicht schafft und all diesen Anforderungen nicht entsprechen kann ist selber schuld und höchstwahrscheinlich auch zu blöd, den „ Neu- Mütter- Ansprüchen“ zu genügen.
Was hab ich neulich in einem dieser Foren für junge Mütter gelesen? << also, bei mir ging es ganz einfach. Du musst es halt wollen, dann funktioniert es beinah von alleine. << und eine andere schrieb>> mein Kleiner (3 Monate) fühlt sich pudelwohl in seiner Krippe<< auf die Frage einer besorgten Mutter, wie es denn mit Kuscheln und so wäre, schrieb sie zurück>> ach, dafür bleibt am Abend noch genug Zeit und außerdem hat er doch eine liebevolle Betreuung! >> Vor Monaten hatte ich dazu auf einer Seite einer sogenannten selbst optimierten Mutter sogar etwas ziemlich Verletzendes gelesen.
<< Das ewige Babygeschrei ging mir schon nach drei Monaten auf die Nerven. Ich hab schließlich nicht studiert, um jetzt das nächste Jahr zuhause zu bleiben und zuzusehen, wie mein Kleiner vor sich hin brabbelt. Wem das gefällt ist in meinen Augen arm dran! <<
Das saß! Im Prinzip eine schallende Ohrfeige für jede Mutter, die sich anders entscheidet. Abgesehen davon mag manche Entscheidung auch gar nicht bewusst herbeigeführt, sondern den gegebenen Umständen geschuldet sein, aber das zählt heute nicht mehr. WER WILL DER SCHAFFT ES ! Aber, was machen die Mütter, die gerne wollen aber nicht können oder, die für sich ein anderes Lebensmodell gewählt haben? Sollen die sich in Zukunft ein Schild auf die Stirn kleben mit der Aufschrift: Ich bin zu blöde?
Manches muss man einfach nicht verstehen und abgesehen davon, will ich es auch nicht immer verstehen können. Mir geht dieses höher, weiter , schneller und das ganze Optimieren schon lange gegen den Strich!. Ich für meinen Teil empfinde diese Entwicklung für völlig übertrieben. Wobei, so ganz entziehen kann man sich dieser Entwicklung leider nicht, wenn man diesen selbstgemachten Zwang durch die eigene Tochter mitbekommt. Ständig hadert sie mit ihrer Entscheidung sich für das Kind und gegen eine Karriere entschieden zu haben. Es wird ihr und anderen Müttern aber auch nicht gerade leicht gemacht. Immerhin gelten Mütter, die heute länger als sechs Monate zuhause bleiben unter Geschlechtsgenossinnen als unmodern, wenig innovativ, altbacken und dumm. Dumm ist sie ganz und gar nicht. Nach Abitur und Studium hat sie sich völlig freiwillig dazu entschieden, die ersten drei Jahre zuhause zu bleiben. Und genau dafür muss Sie sich öfter, als mir lieb ist vor anderen Müttern und Frauen rechtfertigen.
Da lobe ich mir doch die gute alte Zeit vor dreißig oder fünfunddreißig Jahren. Uns Müttern war es damals wurscht, ob andere Mütter nach drei, sechs oder zwölf Monaten, oder erst nach drei Jahren wieder in den Beruf eingestiegen sind. Wir mussten nicht auf Teufel komm raus Karriere machen, es sei dann, man wollte es. Wir haben uns das Leben nicht gegenseitig damit beschwert, indem wir andere Mütter, die sich entschieden hatten, für ihren Nachwuchst den Beruf aufzugeben, mit bösen Blicken zu bestrafen oder sie für altmodisch und wenig innovativ angesehen. Auch mussten wir nicht bereits nach drei Monaten aussehen wie Heidi Klum, sondern ließen uns Zeit damit wieder in Form zu kommen. Und erst Recht durften wir in Schlapperhose und T-Shirt herumlaufen, anstatt in Kostüm und High Heels. Ein Paradies für Mütter ? Nein. Ich will ganz und gar die Zeit nicht beschönigen. Unser Balanceakt zwischen Kind und Beruf war auch nicht einfach! Aber wir zerfleischten uns jedenfalls nicht noch gegenseitig dabei. Allerdings hatten " Nur- Hausfrauen" es auch schon zu meiner Zeit schwerer als die, die zu mindestens halbtags gearbeitet hatten. Ob wir glücklicher und zufriedener waren als die jungen Mütter von heute? Ich weiß es nicht! Aber wir hatten den großen Vorteil zu mindestens unser Lebensmodell zu leben ohne uns dafür rechtfertigen zu müssen oder an selbst Optimierung zu ersticken.
Übrigens! Haben Sie gewusst, dass es seit kurzem auch eine Mutter – Kost gibt?
Nein? Ich auch nicht. Aber dank mancher Regionalsendung ist Frau schlauer. Neulich nämlich saß ich nichtsahnend vor dem Fernseher und lauschte einer Reportage über eine Jungköchin. Damit es den jungen Müttern an nichts fehlt, sie sich ebenso wie ihr Nachwuchst gesund ernähren kann und dabei auch noch Zeit für ihre selbst Optimierung findet und obendrein auch noch Nerven spart, hat Sie das gesunde Mutter- Essen kreiert. Selbstverständlich alles ökologisch einwandfrei und von jeglichen unnatürlichen Zusätzen und Giftstoffen befreit. Ganz billig ist dieser Mutter-Luxus allerdings nicht. Wer also selber kochen und Vorkochen für ein Relikt vergangener Zeit hält, wegen der ständigen Optimierung und dem übertriebenen Glücklich sein selten mehr Zeit hat als für einen Keksriegel im Stehen und obendrein auch noch mit der Zeit gehen möchte, kann demnächst sein tägliches Essen im Internet bestellen. Das Einzige, was man als Mama noch tun muss ist, Deckel ab, rein in den Topf, kurz erwärmen und schon kann man zwischen Bilanzen, aufreibenden Meetings, Babywickeln, dem täglichen Sportprogramm und der abendlichen Veranstaltung ein Essen genießen, dass dem einer Fünfsternküche gleicht. Nicht, dass ich es jemals ausprobieren würde oder es für wirklich gut halte. Aber das ist meine ganz eigene Ansicht dazu.
In diesem Sinne
Herzlichst eure Lilo .
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