Lilo David 

Ihre Reise kann beginnen 

 Von der Dreistigkeit mancher Mitmenschen und von hochgehender Hutschnur.

Ach ja, so manches Mal möchte ich völlig ungeniert und ohne Hemmungen lauthals meine Meinung kundtun. Und tu ich das? Nein! Und warum nicht? Weil meine Erziehung es mir schlichtweg verbietet. So etwas tut man nicht. Man ist höflich und freundlich und lächelt auch noch den letzten A….. freundlich an.

Dabei geht es mir ab und an wie den Comicfiguren. Sie wissen schon, das sind diejenigen, die mit ihren fetten Sprachblasen ihrem Ärger lauthals Luft machen und sich hinterher so verdammt wohlfühlen. Hin und wieder fliegen auch bei mir meine ganz eigenen imaginären Sprechblasen über meinem Kopf. Nur, dass die keiner sieht und mein „ Ärrgh, Bumm, Quietsch, Donner und Grrrr“ lautlos verhallt. Fühle ich mich dabei wohl? Nein! Eher hab ich das Gefühl, als würde in meinem Bauch manches Mal  eine Zeitbombe sitzen, die sich anschickt, schon bei nächster Gelegenheit zu platzen.

Vor ein paar Wochen bluffte mich eine mir völlig fremde Frau an und meinte mir sagen zu müssen, dass sie es unmöglich findet, dass ich noch rauche. Wohlgemerkt, ich stand mutterseelenallein an einer Busstation.  Und neulich, ich war mit meinem Enkel spazieren,  blieb eine Dame, etwas älter als ich, direkt vor der Karre stehen, sah auf meinen Enkel herab, hob ihren Zeigefinger und tönte lauthals: << was, du hast noch einen Schnuller? So groß wie du bist. Den brauchst du doch gar nicht mehr! <<

Also, zum einen ging es der einen Dame rein gar nichts an, ob ich noch rauche und der anderen ebenso wenig, ob mein Enkel noch einen Schnuller braucht.  Zum andern, finde ich es unverschämt sich hinzustellen und einen kleinen Menschenjungen oder eine andere Person  zu maßregeln, nur, weil man glaubt, seine Meinung ungefragt anderen aufzudrängen.  Ich tu es doch auch nicht. Und beileibe, der Mantel, der letzteren Dame,  hatte auch schon bessere Tage gesehen. In meinen Sprechblasen, die sich bei solchen Begegnungen augenblicklich über meinen Kopf aufbauen stand in großen Buchstaben „ was geht Sie das an, kümmern Sie sich um ihren eigenen Mist und eine ganz kleine zeigte sogar,  den, Sie wissen schon. Ich lächelte jedes Mal  freundlich und ging leicht geknickt, ob meiner eigenen Unzulänglichkeit, im rechten Moment das Passende zu sagen meiner Wege. Vor ein paar Tagen war ich Einkaufen. Im Schlepptau Karre und Enkel. Der Kleine saß zufrieden in seiner Karre uns summte vor sich her.  Am Eingang,  zum Supermarkt,  sprach mich ein älterer Herr an und meinte barsch, dass der Kleine doch schon viel zu groß wäre, um sich in einer Karre herumkutschieren zu lassen, << der kann doch schon laufen! << Ja, richtig kann er und was spricht dagegen dennoch gemütlich und bequem und dazu noch kuschelig warm in einer Karre herumgefahren zu werden? Nichts !  Meine Reaktion dieses Mal nicht ganz so höflich, aber immer noch freundlich genug. Wenn ich das gesagt und getan hätte, was meine Sprechblase, die mit einem Satz aus meiner Jackentasche gesprungen war,  von mir erwartet hat, hätte ich diesem Mann einen festen Tritt in seinen Allerwertesten verpasst! Sozusagen stellvertretend für all diejenigen, die glauben, Dreistigkeit wäre eine neue und erstrebenswerte Gesellschaftsform.  

Ich frage mich wirklich manchmal, was in so manchen Köpfen vorgeht?  

Erinnern Sie sich noch an den letzten Donnerstag? Ja, genau der, an dem der Schneesturm tobte. Ich musste mit Enkel und Karre zum Hauptbahnhof.  Ja, ich weiß, kein besonders guter Tag für Ausflüge. Aber es gab gute Gründe es zu tun. Schon der Weg hin zur Busstation glich einer Abenteuerüberlebensübung. Der pappige Schnee ließ ein Schieben kaum zu. Also zog ich das Ding hinter mir her. Mein Enkel schlief den Schlaf der Gerechten. Ein Mann mittleren Alters trabte neben mir und im ersten Moment dachte ich, als er uns sah, dass er all seine ritterlichen Tugenden hervorholen würde, um mir zu helfen. Aber fehl gedacht. Mit einem Grinsen im Gesicht hörte ich ihn lediglich sagen<< Kein Vergnügen bei dem Wetter<< 

Sofort stand meine Sprechblase senkrecht über mir. Im Geiste hörte ich mich sagen<< Sie Idiot! Anstatt dumm zu schwätzen und weiterzugehen, sollten sie so viel Anstand besitzen und mit helfen, diese verdammte Karre durch den Schnee zu ziehen<<! Doch was tat ich? Ich gab ihm freundlich lächelnd Recht und  keuchte dabei wie eine alte ausgediente Dampflok.

Haben Sie schon mal versucht eine Kinderkarre, deren Räder voll mit pappigem Schnee sind und einem tief schlafendem Kind,  in den Bus zu hieven? Mein Rat versuchen Sie es erst gar nicht! Ich stand mit ungefähr einem halben Dutzend anderen Mitfahrern an der Busstation.  Glauben Sie einer hat mir geholfen?  Ich konnte gar nicht so schnell gucken, wie die alle drinnen im Warmen saßen. Da muss man als Mama oder, wie in meinen Fall, als Oma erstmal rein in den Bus und freundlich jemanden um Hilfe bitten und dann, wenn man endlich mit Karre und entsprechendem Kind im Bus steht sich noch anhören, dass man bei einem solchen Wetter auch lieber zu Hause bleiben sollte.  

Also ehrlich, da kann einem doch die Hutschnur hochgehen! Ganz zu schweigen von meinen imaginären Sprechblasen, die wild tanzend über meinem Kopf herumschwirrten. Am liebsten hätte ich durch den ganzen Bus gerufen: << Ihr könnt mich mal! << . Stattdessen blieb ich ruhig und zahlte schweigend mein Busticket.  Ich glaube, ich brauche nicht zu erwähnen, dass wir am Ende ganz umsonst gefahren sind, weil an diesem Tag gar keine Züge fuhren.    

Vor Jahren hatte ich in einer dieser pseudo- psychologischen Zeitschriften, einen guten Rat gelesen. Nur für den Fall,  wenn es im Bauch mal wieder kribbelt und man vor lauter Wut nicht weiß,  wohin damit.    

<< Machen Sie die Tür einfach weit auf und schreien Sie ihren Unmut in die Welt. Das tut nicht nur gut, sondern hilft ihnen, in bestimmten Situationen ihren Stress abzubauen<<

Vielleicht sollte ich diesen guten Rat viel öfter beherzigen und beim nächsten Mal, wenn andere meinen mir ungefragt ihre Meinung mitteilen zu müssen, mich anpöbeln oder kopfschüttelnd reagieren, nur weil  ihnen etwas zu lange dauert oder sie sich durch Kinderlachen gestört fühlen, irgendeine Tür weit aufreißen und alles, was mir auf der Seele liegt lauthals hinausschreien?

 Vielleicht und ich gebe zu, dieser Gedanke ist ebenso verrückt wie absurd,  aber dennoch nicht unmöglich, passiert es aber auch, dass wir lernen miteinander anders umzugehen, als es oft der Fall ist. Es tut gar nicht weh, wenn wir mehr aufeinander achten würden, dort helfen, wo Hilfe nötig ist,  im Alltag etwas mehr Mitmenschlichkeit und Verständnis für andere aufbringen und einfach etwas freundlicher zueinander sind.

Es schont nicht nur die Nerven, sondern, würde unsere Welt auch ein klein wenig liebenswerter sein lassen. 

Fangen wir am besten gleich heute damit an!

Dann brauchen wir auch keine Türen …. es ist eh viel zu kalt draußen, um sie zu öffnen.  

In diesem Sinne

Herzlichst ihre / eure Lilo

 

 

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