Lilo David 

Ihre Reise kann beginnen 

Warum ich ein  Frühlings-Erwachen- Verweigerer geworden bin.

 Erst letzte Woche  meinte meine Freundin<< ist es nicht herrlich, endlich wieder Frühling. Wir müssen unbedingt…! << und ich hätte am liebsten laut ausgerufen >> Gemach, gemach -  Ich bin noch nicht soweit<<. Ehrlich, manchmal geht mir dieses hektische, übereifrige und übertrieben  fröhliche Frühjahrs- Treiben ziemlich auf den Nerv. Natürlich ist es schön, wenn nach langer Winterpause sich die Sonne wieder blicken lässt und die Natur aus ihrem tiefen Winterschlaf erweckt. Aber muss man deshalb laut juchzend und emsig, wie die Bienchen von Blüte zu Blüte fliegen? Ich für meinen Teil mag es da gerne  etwas gemäßigter,  tue es den Igeln gleich,  und bleibe noch ein wenig unter meinem geschützten Laubhaufen.  Erst mal abwarten und Tee trinken, wie es die Briten so gerne tun.  Bei dem Ruf: << raus in die Natur<< sträuben sich bei mir alle Nackenhaare und bei dem Gedanken an das große kollektive „ Die Tage sind herrlich, was können wir draußen nicht alles schöne tun“ wird mir ganz übel.

 Ich mag meine vier Wände und das auch mit beginnendem Frühling. Ich muss nicht den ganzen Tag draußen sitzen nur, weil die Temperaturen mal über fünfzehn Grad sind und die Sonne vom Himmel lacht. Und  meine winterliche Garderobe bleibt auch noch da , wo sie ist, nämlich im Schrank und jederzeit griffbereit. Bei dem ganzen kollektiven Frühlings- Erwachen komme ich mir manchmal vor wie zu meinen Kindertagen,  als meine Mutter mit einem Lächeln im Gesicht beteuerte<< Kinder, es ist Frühling, da bleibt man nicht mehr drinnen<<. 

  Genau dann, erwischt mich nämlich  mein schlechtes Gewissen. Beinah zwanghaft fühle ich mich animiert ebenso emsig und fleißig wie das Bienchen draußen herumzufliegen. Und plötzlich finde ich mich  mit Freunden auf irgendwelchen Wiesen mit Picknick-Decke und selbstgemachten Kartoffelsalat wieder oder sitze auf der Außenfläche eines Cafés anstatt schön warm im Inneren und friere mir den Allerwertesten ab, nur , weil man eben halt nicht mehr drinnen hockt. Ganz nebenbei kann ich dem Lockruf meines Gartens auch kaum noch widerstehen und werke stundenlang in Beeten, schneide Büsche und Bäume, wienere Steinplatten und Gartenmöbel , bis ich Schwielen an den Händen hab. Von Zeit zu Zeit ereilt mich dann der freundliche Gruß eines Nachbarn, der mir mit lächelndem Gesicht,  so als hätte er gerade  sechs richtige im Lotto gewonnen, ein übereifriges  << ist es nicht herrlich heute << entgegenwirft.  Ach, ja, du herrliche Frühlingszeit. An manchen Tagen bin ich heilfroh, wenn es dann wieder so richtig vom Himmel plätschert. Dann hab ich meine Ruhe und kann ohne schlechtem Gewissen faul auf meinem Sofa sitzen

. Neulich hab ich ein Schild mit der Aufschrift „ der frühe Vogel kann mich mal“ gesehen. Vielleicht sollte ich mir ein Schild mit dem Satz“ der frühe und emsige Frühling kann mich mal“ anfertigen lassen und demonstrativ an meine Tür hängen.

Dabei habe ich gar nichts gegen Frühling und Sommer und dennoch  stehe ich irgendwie mit den warmen Jahreszeiten auf Kriegsfuß und warum? Die Schwalben sind schuld, eindeutig! Nicht, dass ich Schwalben besonders mag oder ihnen vor anderen Vögeln den Vorzug gebe und ganz gewiss hab ich überhaupt nichts gegen sie einzuwenden, aber sie spielten nun mal in meinem Leben eine nachhaltige Rolle.  Niemand kann abstreiten, dass zwanghafte Rituale aus der Kinderzeit nicht prägend sind und manchmal das eigene Tun nachhaltig beeinflussen. Mit dem Satz<< Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer, zwei oder drei jedoch schon<<  wurden wir Kinder gnadenlos raus ins Freie katapultiert. Sobald die Sonne länger als zwei Stunden schien, hieß es raus aus den langen Hosen und rein in die Kniestrümpfe, Röckchen und Sommersandalen. Ob es nochmals regnete, stürmte oder schneite war egal. War der Frühling erst mal  eingeläutet gab es keinen Halt mehr. Statt Stuben-hocken mussten wir uns fortan draußen aufhalten und genau diese Assoziation verbinde  ich mit dieser Zeit. Frühling ist für mich Stress pur. Sobald sich auch nur ein Hauch von Frühling zeigt, werde ich unruhig und fühle mich hin- und hergerissen zwischen Nichtstun und einer hektischen Aufbruchsstimmung. Ich hab immer das Gefühl etwas tun zu müssen  und dem schnöden Müßiggang des Winters unwiderruflich Adieu zu sagen. Auf der faulen Haut liegen und in der Bude hocken bereitete mir ein schlechtes Gewissen und wer will das schon!

 Damit ist jetzt Schluss – endgültig und unwiderruflich!

 Zukünftig entziehe mich dem allgemeinen hohen und kollektiven Jubelgesang auf die Frühlingszeit und  krähe weder mit den Schwalben noch piepse ich mit den Meisen, Finken und Spatzen.  Ich hab die Nase gestrichen voll von all dem alten Plunder und meinen Gewissensbissen und die Schwalben können mich mittlerweile kreuzweise. Mit Freude strecke ich ihnen  meinen Allerwertesten entgegen und mache eine lange Nase. Bevor mich übertriebene Hektik erwischt und ich frohlockend dem Ruf des Frühlings folge muss ich erst mal aus meinem Winterschlaf erwachen. Dem eigenen Rhythmus folgen und Dinge tun, dann, wenn sie mir gefallen und ich Lust dazu habe und nicht, weil es die Jahreszeit von einem abverlangt. Ich wähle die Freiheit genau dann meine Freizeit draußen zu verbringen, wenn es mir sozusagen ein inneres Bedürfnis ist und nicht, weil es zum kollektiven Frühlings- Erwachen gehört. Meinem schlechten Gewissen und meinem Pflichtgefühl gebe ich eine schallende Ohrfeige und  erteile ihm ohne Wenn und Aber eine Absage.

Und, wenn das nächste Mal meine Freundin fröhlich pfeifend sagt<< Wir müssen unbedingt…. << werde ich ihr hoffentlich antworten können<< du ja, ich noch nicht!<< und, wenn mein Nachbar grinsend über den Gartenzaun späht wird er mich vielleicht nicht finden, weil ich seelenruhig , mit einer Tasse Kaffee und einem guten Buch faul auf dem Sofa liege und genau das tue, wozu ich, trotz Sonne und fliegenden Schwalben gerade Lust hatte. Ist es Trotz oder Freiheit? Mir egal…. Solange es mir gut tut, ist es die richtige Einstellung…..

 

In diesem Sinne

Herzlichst eure Lilo   

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