Lilo David 

Ihre Reise kann beginnen 

Warum es gut ist, sich über Busverbindungen zu unterhalten, oder, wie es einem heute auf mancher Feier ergehen kann.  

Es gibt einfach Themen, die sollte man tunlichst vermeiden. Das war früher schon so und ist heute ein ebenso guter Ratgeber wie damals. Nichts kann einen Abend so schnell enden lassen, wie Gespräche über Politik, Ernährung und  gerade stattfindende Geschichte.

 Denke ich an die vielen Abende, unter Freunden und Verwandten,  meiner Eltern zurück, so kann ich mich beim besten Willen nicht daran erinnern, dass irgendwann sich großartige Grundsatzdiskussionen an irgendeiner Unterhaltung anschlossen. Natürlich gab es hier und da schon mal lautere Worte, aber nichts, von alldem, was gesagt wurde gab Anlass genug, um im Streit auseinander zu gehen. Wurde es wirklich mal  brenzlig brachte ein gemeinsam getrunkener Köm, oder, ein gut erzählter Witz alles wieder ins Lot. Und ging wirklich mal der Gesprächsstoff aus, so wurde nicht etwa krampfhaft nach möglichen Themen, wie z.B  „ Was hältst du denn von der gegenwärtigen politischen Lage „ gesucht, sondern, man unterhielt sich einfach und völlig wertlos über die Bus- und Bahnverbindungen von Klein Kleckers Dorf nach Buxtehude. Jeder hatte sein Spaß und am Ende ging man friedlich und mancher, ich gebe es zu, auch leicht lallend nach Hause.

Nicht, dass sie mich falsch verstehen. Ich denke nur, dass unsere Eltern und Großeltern es sich ab und an viel leichter gemacht haben als wir es heute tun. Zugegeben. Spätestens, wenn es um die Frage ging, wie man am besten von A nach B fährt, verzog ich mich in meine eigenen vier Wände. Für mich war das nichts und eigentlich blieb das auch über Jahre mein Maßstab aller Dinge. Als aufgeklärter und moderner Zeitgenosse war es selbstverständlich,  dass beinah alle Themen, ob gesellschaftliche, politische oder ganz emotionale im Freundes – und Verwandtenkreis ihre Daseinsberechtigung hatten. Mittlerweile sehe ich es anders. Es gibt kaum ein Thema, mit dem man sich heute nicht in die Nessel setzten kann.

Neulich erst waren wir mal wieder bei Freunden zu Besuch.  Bei Wein, einer Käseplatte und  geschnippeltem Gemüse saßen wir in einer netten Runde zusammen. Nach dem üblichen Small Talk und einigen Gläsern Wein ging es, wie sollte es anders sein ins Eingemachte. Die Themen Urlaub, gemeinsamen Erinnerungen, und,  woher kennt ihr euch denn, waren nach kurzer Zeit abgehakt. Ich saß etwas gedankenverloren an meinem Wein nippend, als  plötzlich einer der Gäste das Thema Kochen auf den Plan rief. Eigentlich nichts Verwerfliches, könnte man denken. Aber Vorsicht. Was früher ging, geht heute schon längst nicht mehr. Eh man sich versieht, findet man sich in einer Grundsatzdiskussion über korrekte Tierhaltung und gesunde Ernährung wieder. Zugegeben. Es war von mir schon etwas naiv zu glauben, ich könnte in einer Runde von zehn Leuten, wovon ich sechs Personen eigentlich noch gar nicht näher kannte , einfach so zugeben, dass ich ab und an noch zur fleisch-futternden Zunft gehöre, ohne auf Neu-Veganer und Vegetarier-Gurus zu treffen und mich am Ende als fleischfressende Ignoranten wiederzufinden, die nichts aber auch rein gar nichts begriffen hat. Keine Ahnung was noch passiert wäre, wenn der Gastgeber nicht auf ein anderes Thema geschwenkt hätte. Nachdem also jeder seinen Standpunkt klar gestellt und mit Nettigkeiten um sich geworfen hatte, wie mit Kamellen zum Karneval-Umzug suchten wir nach einem  wirklich unverfänglichen Thema. Anscheinend ist dies heute beinah unmöglich. Schon kurze Zeit  später redeten wir hitzig  über die Asylpolitik. Am Ende fühlten sich drei total missverstanden und in die rechte Ecke gedrängt, drei weitere , einschließlich meiner Person, versuchten glaubhaft zu argumentieren, dass wir mitnichten so links sind, wie man es  gerade von uns annimmt, zwei gaben sich große Mühe den verbalen Tumult zu schlichten und der Rest schwieg.

Nach so vielen strittigen Meinungen brauchte ich erst einmal eine Zigarette. Also verschwand ich, natürlich ohne Aufsehen zu erregen, als moderner Raucher weiß man ja was sich gehört, auf den Balkon. Ich konnte doch nicht ahnen, dass mein Rauchen einer der Gäste gleich bis ins gesundheitliche Mark so sehr treffen würde, dass dieser sich augenblicklich dazu berufen fühlte, mir nicht nur einen abendfüllenden Vortrag über die Schäden von Zigarettenkonsum zu halten, sondern , anfing mich zu missionieren.  Ja. Mir ist schon klar, dass Rauchen ungesund ist. Dennoch möchte ich mich nicht jedes Mal dafür rechtfertigen müssen und schon gar nicht möchte ich missioniert werden. Der schlummerten Gefahr ins Auge sehend blieb ich lieber ruhig, als dieser Gast mir die etwas provokante Frage stellte, ob mir bewusst wäre, welchen gesundheitlichen Frevel ich mir mit jeder Zigarette antue. Schweigend setzte ich mich auf meinen Stuhl und wartete ab, was als nächstes kommt. Inbrünstig wünschte ich mir so unverfängliche Themen, wie das Wetter herbei. Aber nicht jedes Gebet, auch, wenn es noch so herzlichst und innig hervorgebracht wird findet Gehör. Über Musik lässt sich ja bekanntlich auch streiten, wobei ich zugeben muss, dass man niemanden persönlich angreift, wenn man zugibt, dass Bruce Springsteen einen nicht tief in der Seele berührt. Aber gut. Manche Menschen finden überall ein Haar in der Suppe und können, glaube ich, nicht anders als sich persönlich angegriffen zu fühlen.

Nachdem  Musik für uns, intelligente und rhetorisch beflissene Menschen, anscheinend auch nicht geeignet war, suchten wir  nach etwas weniger Sprengstoff geladenen Themen.  Nein. Wir landeten nicht beim Wetter. Schade eigentlich. Es muss so  kurz vor 1 Uhr gewesen sein. Mein Pegel an Müdigkeit, auch hinsichtlich der brisanten Themen ,  war erreicht. Hin und wieder konnte ich ein zünftiges Gähnen leider nicht vermeiden, waren mein Herzblatt und ich eigentlich im Begriff unsere Waffen zu strecken und den Sparring-Ring zu verlassen. Warum sich gerade in diesem Moment, die militante Nichtraucherin berufen fühlte mich zu fragen, wie ich denn generell zu Tieren stehe, wenn ich doch noch Fleisch esse, wird für mich immer in Rätsel bleiben. So insgeheim glaube ich ja, sie wollte einfach Streit, nachdem ich sie doch schon mit ihrer Mission „ Nichtraucher an einem Abend“ hab abblitzen lassen. Meine Antwort, natürlich ohne Hintergedanken, dass ich jahrelang einen wirklich putzigen Kater mein eigen nennen durfte und jetzt kein Haustier mehr habe und auch nicht mehr haben möchte, schien sie jedenfalls nicht zufriedenzustellen. Mit wirklich rührenden Worten berichtete sie von geschundenen und ausgesetzten Tieren und man konnte förmlich sehen, wie alle weiblichen Gäste ihr verloren geglaubtes Mutterherz binnen fünf Minuten wiederfanden, bis eine schließlich voller Enthusiasmus sich ein Herz nahm und die militante Nichtraucher- Tier-Retterin , um die Adresse des Vereins für osteuropäische Tiere in Not fragte. Als ob  nicht auch hier zu Lande genügend Tiere in Heimen hinvegetieren. Warum nicht erst mal die retten, wenn man retten möchte. Aber das ist selbstredend eine völlig andere Geschichte. Ich für meinen Teil lehnte freundlich aber bestimmend ab. Nein. Ich möchte keine fünfzehn Hunde und zwölf Katzen adoptieren und fühle mich dennoch als Tierfreund. Selbstredend war ich in den Augen der militanten Nichtraucher- Tier-Retterin von nun an nicht nur eine fleischfressende Ignorantin, sondern mutierte gleichwohl zu einer Tier- Hasserin erster Güte. Kurz danach sind wir  gegangen. Um es salopp auszudrücken; Ich hatte die Nase gestrichen voll und wollte nur noch ins Bett. 

 Im Auto hab ich erst mal genüsslich eine Zigarette geraucht. Nach all den verbalen Kämpfen und den Versuchen die Wogen  zu glätten brauchte ich einfach meinen Glimmstängel. Und Nein. Ich habe dabei nicht an die Gesundheit meines Mannes gedacht, der noch nie im Leben auch nur eine einzige Zigarette geraucht hat. Aus mir sprach der pure Egoismus.

Selbstredend beschlossen wir so schnell keiner Einladung mehr zu folgen. Es sei dann, es würden von vornherein Themen wie Tiere, Nahrung, Glaube, Hoffnung. Liebe, Zigaretten, Alkohol, Lust, Leidenschaft, Musik, Körperpflege, Politik, Geschichte, Kinder, Urlaub, Kochen, Tierschutz und Asylrecht ausgeklammert werden.

Was glauben Sie wohl wird übrig bleiben?  

Richtig, die Bus- und Bahnverbindung von Klein Klecker- Dorf  nach Buxtehude.

Man kann es drehen und wenden wie man will. Es gibt einfach Themen, die sollte man tunlichst vermeiden. Das galt früher schon und ist heute anscheinend wichtiger denn je. Es sei dann man möchte sich irgendwann in einer völlig überzogenen Grundsatzdiskussion wiederfinden.

Und mal ehrlich. Wer will das schon.

In diesem Sinne

Herzlichst eure Lilo.                      

 

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