Lilo David 

Ihre Reise kann beginnen 

 Warum ich glaube, dass es wichtig ist aufeinander zuzugehen, anstatt neue Grenzen, in Köpfen und Herzen zu ziehen.  

Ich hätte es schon längst tun sollen. Immerhin gibt es diese Möglichkeit schon seit über zwanzig Jahren.  Aber, wie so oft schob ich jedes Jahr irgendwelche Gründe vor mich her, es nicht zu tun. Doch dieses Jahr gab es keine Entschuldigung, kein Wenn und Aber, kein Grund es nicht zu tun. Wenn nicht jetzt, wann dann? In einer Zeit, in der Fremdenhass erneut aufkeimt, wie eine ansteckende Krankheit, war es mir wichtig! Nicht nur reden, sondern Flagge zeigen, etwas tun und aufeinander zugehen, erscheint mir so wichtig. Gut, ich gebe zu, ich war auch neugierig. Es kommt nicht oft vor, dass eine alte ausgediente und vergessene Kirche, zu einer Moschee umgebaut wird. Ich denke, es gab im Vorwege sicherlich auf beiden Seiten genügend Gegner und Befürworter. Um ehrlich zu sein, habe ich mir jedoch nie Gedanken gemacht, wo Muslime ihrem Glauben nachgehen können. Mir war nicht bewusst, dass sie versteckt in Hinterhöfen, in Garagen und alten, kalten und dunklen Gemäuern beten müssen. Ja, beinah entsetzt hat mich die Tatsache, dass sie sich aus Platzmangel, sogar auf der Straße, vor ihrer Moschee, zum Freitagsgebet zusammen finden. Man stelle sich nur mal vor, wir Christen müssten uns zum Gottesdienst, in irgendwelchen Hinterhöfen oder auf irgendeinem Vorplatz mitten auf einer Straße versammeln. Ich glaube, das würde niemanden gefallen und der Aufschrei wäre riesengroß. Garagen und Hinterhofgebäude sind einfach kein würdiger Gebetsort, egal, für welche Glaubensrichtung auch immer. Es ist gut, dass die Al- Nour Gemeinde, diese alte Kirche umgebaut hat und in gewisser Weise bewundere ich sie für ihren Mut. Wie gesagt, wir leben erneut in aufgeheizten und unsicheren Zeiten und was gestern noch respektiert wurde, kann heute schon ein offener Affront sein.

Warum ich dennoch Herzklopfen hatte, kann ich gar nicht genau sagen. Vielleicht bin ich doch nicht so unvoreingenommen, wie ich immer dachte? Vielleicht hatte ich aber auch unterschwellig so etwas wie Angst, es könnte dort irgendetwas passieren? Die Welt ist voll von Verrückten und Hetzern, die jede gebotene Möglichkeit für sich nutzen. Vielleicht jedoch hatte ich ganz tief in mir und ohne, dass es mir eigentlich so richtig bewusst war ein schlechtes Gewissen!  Warum? Weil ich seit über vierzig Jahren Seite an Seite mit Menschen verschiedener Kulturen leben und dennoch von ihnen so gut wie nichts weiß! Wie bei vielen anderen „ Deutschen“, hat sich nie eine Freundschaft zwischen Muslimen und uns ergeben. Es ist, als würden sie in ihrer Welt und wir in unserer Leben. Zwei Welten und doch eine Nation.

Und dann war alles so einfach. Freundliche Menschen begrüßten uns schon am Eingang. Nichts, war aufdringlich, keine schrägen Blicke oder spürbare Vorbehalte. Offenheit, Transparenz und eine wohlig warme Atmosphäre erwarteten uns. Ein Ort der Stille und der Einkehr. Ein Haus, in dem man sich auf Anhieb wohlfühlte. Und plötzlich war sie da, die Verständigung, das Miteinander und das aufeinander zugehen. Es war keine Begegnung zwischen dem Morgen und Abendland, sondern Begegnungen zwischen Menschen, die die gleichen Sorgen und Ängste haben, die entsetzt dem Fremdenhass gegenüber stehen und die sich im Grunde nichts anderes wünschen, als eine bessere, verständnisvolle und sichere Welt. Nicht nur tolerieren, sondern gegenseitigen Respekt und Achtung entgegenbringen und den anderen, in seiner Einzigartigkeit, im Denken und Handeln akzeptieren.

Ich muss schon sehr weit zurückblicken, um mich an ein Gespräch zu erinnern, was mich so tief berührt hat, wie das, welches ich mit einer jungen muslimischen Frau geführt habe. Multikulti, in Reinformat? Nein, es war viel mehr als das! Eine Unterhaltung auf gleicher Augenhöhe. Kein Abringen, um Verständnis für die jeweilige Glaubenskultur, sondern, ein aufeinander zugehen und die plötzliche Erkenntnis, dass wir uns gar nicht so unähnlich sind, wie manche vermuten mögen. Eine Begegnung, die Mut machte, Fragen, auch unangenehme, zu stellen und voneinander mehr lernen zu können, als wir vermuten.    

 

 Irgendwann, zwischen der einen Frage und der nächsten, zwischen einvernehmlichen Nicken, wenn es mal wieder um diese viel besagten Unterschiede ging, die doch eigentlich nur in unseren Köpfen existieren, berührte mich ein Satz ganz besonders

<< wir leben in einer Parallelgesellschaft. Werden nirgends so richtig akzeptiert. In meiner Heimat, also dem Land, aus dem meine Familie stammt,  bin ich die Fremde. Bin ich jedoch wieder hier, bin ich jeden Tag die Fremde, die Ausländerin, die Muslime, die, der man nicht über den Weg traut und sie am liebsten loswerden will. Dieses Gefühl macht mir Sorgen und Angst. Deutschland ist meine Heimat, die Heimat meiner Kinder und ich gehöre ebenso hier her wie jeder andere<<

Auch etwas, worüber ich nie nachgedacht habe. Wozu auch! Lebe ich doch in dem Land, in dem ich geboren und aufgewachsen bin. Ich muss mich nicht vor mangelnder Akzeptanz fürchten. Auch nicht davor von anderen, aufgrund meiner ethnischen Herkunft, angegriffen zu werden. Als Deutsche lebe ich, in meinem Land, auf der Sonnenseite. Ich habe keine leise Ahnung davon, wie es ist, von anderen wegen meiner Hautfarbe schräge angesehen zu werden. Ebenso wenig muss ich aufgrund meines Glaubens, um mein Leben fürchten oder Ängste ausstehen, dass meiner Familie seelisches Leid zugefügt wird, nur, weil wir anders aussehen. Ich darf sein, wie ich bin und das ohne Wenn und Aber. Deutschland ist meine Heimat und niemand wird es jemals wagen, mir oder meiner Familie zu sagen, dass das nicht so ist. Ehrlich, ich finde, diese Vorstellung nicht dazuzugehören und akzeptiert zu werden fürchterlich.   

Ich konnte nicht anders, als sie einfach und ohne jedweden Vorbehalt, wie eine gute Freundin, zu umarmen. Ich tat es, nicht aus einem schlechten Gewissen, ihr oder anderen Muslimen gegenüber, sondern, aus einem tiefen inneren Bedürfnis heraus.

Warum schreibe ich heute darüber? Weil, es mir wichtig ist und, weil mir bewusst wurde, wie viel Mut es kostet, in einer Welt, die sich mal wieder menschlich zu ihren Ungunsten verändert, zu leben. Fremdenhass ist heute leider allgegenwärtig. Es vergeht kaum ein Tag, wo man nichts darüber in den Medien liest. Natürlich hätten wir es verhindern können! Schon vor Jahrzehnten hätten wir viel für ein besseres Miteinander tun können. Aber, wie so oft wurde nur geredet und geredet und am Ende dann doch nichts getan. Es darf nicht sein, dass Menschen das Gefühl haben, in einer Gesellschaft, wegen ihres Glaubens, ihrer Herkunft oder Hautfarbe ausgegrenzt zu sein. Wer, so frage ich, möchte in einer Parallelwelt leben und sich ständig fragen müssen, bin ich willkommen?

„ Was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht“  besagt ein altes Sprichwort. In einer globalen und offenen Welt, in der wir leben, sollte es doch möglich sein, vom reichhaltigen Teller so viel wie nur irgend möglich zu probieren. Wenn ich immer nur Leberwurst esse, kann ich nie beurteilen, wie Hammel oder Giros schmeckt. Was heißen soll, wenn ich nur unter meinesgleichen bleibe, lerne ich nie die bunte Vielfalt dieser Welt kennen und erst Recht nicht, dass es zwischen Menschen eigentlich keine Unterschiede gibt. Die einzigen Grenzen, die existieren, sind die, in unserem Köpfen. Niemand anderes, als der Mensch selbst, ist der Erbauer. Wir haben es heute in der Hand, die Mauern einzureißen und unseren zukünftigen Generationen andere, bessere und menschliche Wege aufzuzeigen.

 Wer glaubt, dass seine Religion die einzig Richtige ist, irrt sich gewaltig. Ein gläubiger Christ, glaubt ebenso, wie ein gläubiger Moslem oder Jude an denselben Gott. An die Verheißung, dem ewigen Leben und an die Menschlichkeit. Es ist doch vollkommen egal, unter welcher nationalen Flagge wir geboren werden, wo unsere Wurzeln sind und, ob wir Christ, Moslem, Hindu, Buddhist oder Jude sind. Wir alle sind  Bewohner, einer Welt und genau die sollte verdammt nochmal unser aller Heimat sein, wo wir uns wohlfühlen und friedvoll miteinander leben können. Jedweder Fanatismus, egal, von welcher Seite, ob links, rechts, aus der Mitte, Morgen oder Abendland, ob christlich, jüdisch oder muslimisch ist ein falsches Zeichen. Es gibt nicht den einen Radikalismus! Wer das behauptet der lügt!

 Es wird Zeit, aufzustehen und miteinander etwas gegen den blind machenden Keim, Fremdenhass, zu tun.

Der Tag, der offenen Moscheen ist ein guter Anfang. Und ich wünsche mir sogar noch mehr. Dass möglichst viele Menschen ihre Türen und Tore, ihre Herzen aber vor allen Dingen ihren Verstand weit aufmachen und sich auf unterschiedlichen Wegen ganz neu begegnen.

In diesem Sinne

 herzlichst eure Lilo

 

 

 

  

      

 

 

 

 

 

 

 

 

  

 

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