Wenn das Leben an deine Tür klopft lass es hinein.
<< oh, ist mir langweilig> stöhnt der kleine Elefant. So beginnt eine Kindergeschichte, die ich vor Jahren meinen Kindern und nun meinem Enkel vorlese. Eine Geschichte wie tausend andere und dennoch muss ich jedes Mal, wenn ich sie heute lese an etwas ganz bestimmtes denken.
Langeweile scheint seit Jahren das Schlagwort im Leben mancher Zeitgenossen zu sein. Wo man auch hinhört irgendwann fällen Sätze wie >> mein Leben ist langweilig, mein Job ist langweilig, meine Beziehung ist langweilig, alles ist langweilig<<. Ich weiß nicht, was die Menschen heutzutage erwarten? Früher war es doch auch nicht langweilig, und wenn, dann haben es zu mindestens die Wenigsten kundgetan. Ich stelle mir daher die Frage, ob es sein kann, dass wir modernen Menschen heute mehr vom Leben erwarten als noch unsere Eltern und Großeltern oder, ob wir einfach ehrlicher mit uns und dem Leben sind? Vielleicht, und das erscheint mir der wahre Grund zu sein, sind wir eher auch aufgrund der vielen Angebote, die uns zweifelsohne manche Entscheidung darüber, was wir tun oder nicht tun zu einer elementaren Lebensfrage sein lassen schlichtweg gesättigt und haben verlernt uns über das eigentliche Leben zu erfreuen. Wissen wir am Ende vielleicht gar nicht mehr wie Leben funktioniert ohne aufreibende, spaßige, aufregende und großartige Highlights zu erfahren?
Mal ehrlich, wer verbringt heutzutage sein Leben noch im Müßiggang? Die meisten, die ich kenne haben einen derart vollgestopften Terminkalender, dass man meinen könnte es wäre geradezu sträflich und dem Leben nicht angemessen, wenn man einfach mal nichts tut. Einige unter denen, die ich das Vergnügen habe zu kennen, ist die Vorstellung, an einem Wochenende mal nichts vorzuhaben ein dermaßen großes Übel, dass es ihnen beinah körperliches Unbehagen bereitet. Krampfhaft wird spätestens am Dienstag nach einer Wochenendaktion gesucht. So zu sagen werden alle Hebel in Bewegung gesetzt, um ja nicht in die Verlegenheit zu kommen nichts tun zu müssen. Sich auf freie Zeit, dem schnöden Leben und was es einem per Zufall bringen mag einzulassen, käme für sie nicht in Frage. Alles, bis ins kleinste Detail muss durchstrukturiert sein. Am besten man weiß schon montags, was man samstags vorhat, damit man nicht schon mittwochs Langeweile aufkommt. Das Lebensmotto unserer modernen Welt lautet schneller, höher, geiler und Spaß, Spaß und nochmals Spaß. Passiert nichts oder lassen sich Aktivitäten nicht einfach so aus dem Hut zaubern wird gezetert und gemeckert, über ein Leben das fade und langweilig ist. Unzufriedenheit macht sich allerorts breit. Meine grauen Gehirnzellen müssen sich schon verdammt anstrengen, um sich an einen Satz unter Freunden zu erinnern, der da ohne Wenn und Aber lautet: <<Hey, es geht mir prima, alles ist gut und das Leben ist schön>>! Mir geht es jedenfalls manchmal so, dass ich schon an den Gesichtern erkenne, ob sich das Fragen lohnt. Ich habe noch nie so viele griesgrämige Menschen gesehen wie in dieser Zeit und, wenn man wirklich so höflich ist und dann doch mal nachfragt, hört man meistenteils genau das, was man schon zuvor in deren Gesichtern erkannt hat << alles Mist>>, oder auch schon mal die deftigere Version << ist doch alles Scheiße<<
Eine Bekannte war neulich für ein paar Tage in Urlaub. Mittlerweile ist es ja Sitte, dass man via Twitter und Co, Freunde und am besten gleich die ganze Welt an seinen Exkursionen teilhaben lässt. Doch anstatt sich über freie Tage zu erfreuen, sich der Urlaubslangeweile hinzugeben, die Ruhe und Beschaulichkeit , die nur die See im Februar bieten kann hinzugeben, tat sie nichts anderes als der Welt mitzuteilen, dass es dort, wo sie sich befand sterbenslangweilig war. Ich glaube, sie war mehr mit ihrem Smartphone und ihrer jeweiligen Stimmungslage beschäftigt als zu Urlauben. Hätte sie jedoch mal ganz frei ohne großartige Erwartungen an diese Zeit für sich entschieden, die Tage einfach zu genießen und sich an der zweifelsohne kargen Schönheit der See zu erfreuen, wäre sie sicherlich zufriedenen zurückgekehrt und müsste sich nicht nach ihrer Rückkehr von der Langeweile ihres Urlaubes erholen. Bei einem anderen Bekannten vergeht keine Woche, in dem er nicht allen mitteilt, dass sein Leben langweilig ist und wirklich nichts, aber auch rein gar nichts geschieht, was ihn mal so richtig das Leben spüren lässt. Via Social Media stellt er sich und der Lesegemeinschaft elementare Fragen nach dem Sinn des Lebens und schreibt darüber wie leer ihm alles erscheint. Eine gute Freundin, und ich habe sie wirklich gerne, ist seit Monaten mit sich und ihrem Leben unzufrieden. Mittlerweile geht ihr alles gegen den Strich. Das Einzige was sie tagein und tagaus beschäftigt ist die Suche nach einem aufregenderen Job und nach etwas das ihr Leben ausfüllt. Da muss man doch ganz kirre werden und den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sehen, wenn einen anscheinend nichts anderes mehr im Kopf herumspukt als das! Von innerer Glückseligkeit trennt sie so viel wie die beiden Königskinder, die trotz großer Mühe es dennoch nie geschafft haben zueinander zu kommen. Eine andere Freundin wiederum rennt seit Monaten hinter jedem aufregendem Highlight hinterher und merkt nicht einmal mehr wie sie sich beim Laufen selber überholt. Egal, wann man sie anruft – Sie hat nie Zeit und immer schon etwas ganz Tolles vor. Schneller als jeder Intercity rast sie durch IHR LEBN und wundert sich, dass Sie von dem was rechts und links neben ihr geschieht kaum noch etwas mitbekommt. Ein befreundetes und lang verheiratetes Paar beklagt sich; dass ihr gemeinsames Leben langweilig und ohne besondere Höhen und Tiefen ist. Wie ein ruhiger stiller Fluss gleitet es dahin und am liebsten würden beide ausbrechen, um dann was zu tun?
Natürlich kann ein Job, der einem keinen Spaß bringt nerven und auf Dauer zu Unzufriedenheit führen. Auch ein Urlaub, indem nichts weiter passiert als die unumgängliche Tatsache sich ausnahmsweise mal wieder mit sich und den Dingen, die um einen herum sind zu beschäftigen mag für den einen oder anderen langweilig erscheinen und, in einer Partnerschaft , wo nichts anderes geschieht als das Leben miteinander zu teilen, was im Übrigen nicht mehr jedem beschieden ist bedenkt man, dass heute beinah jeder dritte ein lebenslang ungewollt Single bleibt, mag das Gefühl vermitteln vom Leben betrogen zu werden. Dennoch, wir stöhnen und meckern auf hohem Niveau. Anstatt dankbar zu sein über das, was wir haben und wie wir leben dürfen, wird gemeckert und gemault auf Teufel komm raus. Nichts kann heute zufriedenstellender sein als das Große, sensationelle und Aufregende. Für die meisten ist das nackte und blanke Leben anscheinend nicht mehr wert als es mit Nichtachtung zu strafen. Ein Urlaub ist kein Urlaub, wenn man nicht mindestens einmal am Tag etwas Ereignisreiches erlebt hat, ein Job nur dann ein guter Job, wenn man sich jeden Tag aufs Neue beweisen muss und am besten in Siebenmeilenstiefel die Karriereleiter emporsteigt und für die meisten ist heute eine Beziehung auch nur dann gut, wenn sie immer wieder Neues bietet, das Beste aus einem herausholt und man ein Sexleben wie die Liebesgöttin höchstpersönlich hat. Wobei fraglich ist, inwieweit Venus überhaupt Sex gehabt hat und wenn, ob er für sie wirklich erfüllend gewesen ist. Und, was das schnöde Leben betrifft, gilt dies doch oft erst als gelungen, wenn es aufregend, amüsant und voller Esprit ist und einen hohen Spaßfaktor bietet.
Ich weiß nicht, wie es ihnen geht? Aber mir macht diese allgemeine Lebensunzufriedenheit schon etwas Angst und manchmal lässt sie mich sogar etwas wie Zorn empfinden. Ja, es gibt durchaus Tage, da möchte ich diejenigen, die nicht aufhören sich über ihr langweiliges Leben zu beklagen am Schlafittchen packen und ihnen geradezu laut zurufen>> wenn dein Leben an die Tür klopft dann mach ihm doch verdammt nochmal die Tür auf!<< Doch stattdessen reihe ich mich in die Reihen derer ein, die verständnisvoll mit dem Kopf nicken und den ewig Unzufriedenen damit Recht geben, dass ich eben nichts sage, weil mir schlichtweg die Argumente fehlen und ich außer Banalitäten nichts zu bieten habe. Haben Sie schon mal versucht einem ewig Meckernden davon zu überzeugen, dass das Leben gar nicht so langweilig ist und das es sich lohnt auch für Kleinigkeiten zu brennen und sich ins Zeug zu legen? Man ist eher die Dumme, wenn man den Versuch wagt und ihnen selbstredend mit Geduld versucht zu erklären, dass die unscheinbaren Kleinigkeiten des Lebens oftmals die eigentlichen großen Dinge sind? Aber, was ist eine bunte Blumenwiese schon gegen das Hochgefühl, wenn man aus einem Flugzeug springt? Und im Vergleich zu einem aufregenden Job erscheint doch eine einfache Tätigkeit geradezu verdrießlich und ein Feierabend oder Wochenende ohne Aktion sterbenslangweilig! In einer Welt, wo nur das Große zählt haben Banalitäten keine Überlebenschancen. Das leise Klopfen an der Tür wird schlichtweg überhört. Mein letzter Versuch ist jedenfalls kläglich gescheitert und letztendlich musste ich mir den Vorwurf gefallen lassen ein Mensch mit schlichtem Gemüt zu sein. Sei es drum. Ich bin lieber ein Mensch mit schlichtem Gemüt als ein ewig Nörgelnder. Vielleicht gelten hier, wie in so manchen anderen Dingen „ back to the roots“, oder die eigenen Erwartungen vielleicht einfach mal niedriger zu fahren. Sich auf das Wesentliche einzulassen und dem eigentlichen Leben eine Chance zu geben, ohne ständig eine rasante Fahrt im Looping zu erwarten. Mir jedenfalls gibt es seit einigen Monaten das Gefühl, dass wir vor lauter Suchen nach dem perfekten Leben uns in einem Irrgarten befinden und immer unzufriedener werden. Vielleicht klingt es verrückt, aber wie wäre es, wenn wir einfach mal wieder den Versuch wagen die Welt und unser Leben mit Kinderaugen zu sehen. Mir ist zu mindestens noch kein Kind untergekommen das sich lauthals über ein langweiliges Leben beklagt.
Und, wer weiß, mit etwas Glück stellen wir dann eines Tages fest, dass der Tag, mit all seinen Facetten, aufregend genug ist und wir weder das Große noch das Aufregende brauchen um glücklich und zufrieden zu sein. Sich hinzusetzen und die Stille des Augenblicks zu genießen kann zufriedenstellend sein. Und vielleicht ergeht es uns dann doch irgendwann anders als dem kleinen Elefanten und wir sagen nur noch selten und wirklich nur dann, wenn es gar nicht anders geht
<< oh, mir ist so langweilig<<.
In diesem Sinne
Herzlichst ihre / eure Lilo