Pupsen Sie ruhig – denn das ist gesund.
Mit dem Wandel der Gesellschaft verändern sich auch unsere Benimmregeln. Was noch im Mittelalter als „Gutes – Benehmen“ galt, gilt heute als peinlich und unerwünscht.
Wer von uns kennt nicht diese menschlichen Körpergeräusche? Sei es nun das Schnarchen, Niesen, Schluckauf, Magenknurren, Rülpsen oder Pupsen. Wobei das letztere in unserer epochalen Lebensform als absolut unentschuldbar gilt. Niemand furzt gerne in aller Öffentlichkeit und nicht selten fühlen sich, wenn es passiert, nicht nur der, der furzt, sondern auch alle anderen peinlich berührt. Dabei ist das Flatulieren, das Pupsen oder einen „Fahren lassen“ ein wichtiger und obendrein gesundheitsfördernder menschlicher Akt, den wir unter gar keinen Umständen unterdrücken sollten. Abgesehen davon tun wir es pro Tag durchschnittlich 12, 7-mal, wenngleich natürlich auch wegen unseres gesellschaftlichen Kodex heimlich und unter manch schwierigen Begebenheiten. Selbstverständlich wirkt die Art und Weise früherer Epochen oder, wie sich Menschen vor 500 Jahren ganz natürlich im Alltag verhielten auf uns heute oft ungezogen, rüpelhaft und manchmal barbarisch. Und niemand will ernsthaft heute noch gewisse „menschliche Regungen“ an seinem Abendbrottisch, bei einem Essen unter Freunden, im Theater oder überhaupt in Gesellschaft haben. Und dennoch, wenn wir uns einfach mal vor Augen führen, dass eigentlich jeder Mensch furzt – dein Chef, dein Arzt, deine beste Freundin oder Freund ebenso wie Frau Merkel, unser Bundestrainer und der Papst, der bestimmt ab und an ungeniert im Schlafgemach seiner analen Öffnung die Absolution erteilt, ist es trotz aller Natürlichkeit dennoch in unserer Gesellschaftsstruktur ein absolutes Tabuthema, über das man weder spricht, noch es schon gar nicht tut.
Von unseren allzu menschlichen Körpergeräuschen wollen wir moderne Menschen nichts mehr wissen und, wenn es passiert ja dann würden wir am liebsten im Erdboden versinken. Völlig anders sah das noch Martin Luther (1483- 1546). Für ihn galt ein herzhafter Furz in keiner Weise als peinlich, sondern als patentes Mittel, um den Teufel auszutreiben. Wohingegen Erasmus von Rotterdam (1466- 1536) schon durchdrungen von ein wenig mehr Peinlichkeit in seinem Benimm Buch den allgemeinen Ratschlag aussprach, die Pobacken zusammenzukneifen, „um die Gase im Unterleib zu halten“ ohne jedoch nicht hinzuzufügen, dass, wenn es dennoch einmal passieren würde, gelte das alte Sprichwort: „Einen Furz verdeckt man hinter einem Huster“.
Dabei hat das Flatulieren eine überaus lange, wenn nicht sogar sehr amüsante Historie.
Pupsen konnte zu früheren Zeiten im wahrsten Sinne dessen, was die menschliche Nase dabei empfindet, stinkreich machen. Um es gleich vorweg zu nehmen, es gab wirklich so etwas wie eine Zunft des Kunstfurzer. Eine sehr ehrenvolle Zunft, dessen Mitglieder es je nach Übung und Talent zu wahren und vollendeten analen Klangwundern brachten. Nicht selten wurden dabei ganze Melodien flatuliert. Im Mittelalter erpupste sich in England der Narr am Hofe Heinrich II, dank seiner Rosetten-Virtuosität, ein prächtiges Landschloss in Suffolk und noch Jahrzehnte später ließ der Franzose Joseph Pujol (1857 – 1945) in seiner legendären und bejubelnden „Knatter – Show" das Publikum des Moulin Rouge vor Begeisterung erzittern.
Andere Zeiten – andere Sitten – so sagt man doch! Im Grunde ist es auch so. Was früher also als schick und gesellschaftsfähig galt, hat heute eher einen völlig anderen gesellschaftlichen Stellenwert. Und trotz alldem möchte ich gerade an dieser Stelle zu bedenken geben - nicht alles, was Gesellschaftlich als unfein gilt, hat auch für uns Menschen einen gesundheitlichen Nutzen.
Aus gastroenterologischer Sicht gilt ein Furz pro Stunde als absolut normal. Tun wir es nämlich nicht und dabei ist es völlig wurst, ob in aller Öffentlichkeit, auf dem Klo oder heimlich in irgendeiner Ecke, übertrumpft durch lautes Husten oder einem dann doch eher leisen Hüsteln, kann es unter Umständen für einen selbst ernsthafte gesundheitliche Probleme mit sich bringen.
Starke Blähungen können Herzschmerzen auslösen, die denen eines Herzinfarktes ziemlich gleichen können. Das Herz fängt an zu rasen oder stolpert und man hat Brustschmerzen. Luftnot und Schweißausbrüche können dazukommen. Allein in Deutschland sind jährlich mehrere Zehntausend Menschen vom sogenannten Roemheld- Syndrom betroffen.
Also, was sagt uns diese kleine Exkursion ins Reich der Flatulenz? Das nichts im Leben so schlimm sein kann, dass man es nicht aus einem natürlichen menschlichen Blickwinkel betrachten sollte, denn:
„Jeder Mensch hat irgendwann Blähungen. Die Frage ist immer, wie dramatisch man sie bewertet.“ (Thomas Frieling)
Oder, wie es auf dem Klo meiner Eltern zu lesen war:
„Wenn`s Arscherl brummt, is Herzerl g`sund“
In diesem Sinne
Macht euch Luft, wann immer ihr es könnt.
Herzlichst eure Lilo David.