Alle Jahre wieder und dennoch alles anders.
Pünktlich zum 1. Advent und das ist auch gut so, denn wissen Sie was mir die letzten Tage so richtig auf die Nerven ging? Das Geplärre und Gezeter um unsere angeblich nicht stattfindende Weihnachtszeit und einem Weihnachten wie wir es kennen und lieben! Das geht doch eigentlich gar nicht, Weihnachten ganz anders. Ist das überhaupt noch Weihnachten so ganz ohne liebgewonnene Traditionen und Bräuche? Was die diesjährige Weihnachtszeit angeht scheinen wir alle wie ein Haufen Frösche das gleiche Lied zu quaken. Es wird lamentiert und diskutiert bis sich auch das letzte Fünkchen Weihnachtsgefühl in Luft aufgelöst hat. Und wissen Sie noch etwas? Mir fällt dazu schon nichts mehr ein, außer mit dem populärsten Zitat aus Der kleine Prinz zu antworten. Ich finde, es passt dieses Jahr wie die berühmte Faust aufs Auge. „Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar“.
Dieses Jahr stehen wir alle vor der Aufgabe neu zu überlegen, wie wir für uns die Weihnachtszeit und das Fest gestalten. Wie geht es dieses Jahr? Welche Risiken können wir eingehen, halten wir uns an die vorgegebenen Regeln oder setzten wir uns darüber hinweg? Fahren wir vielleicht doch zu Oma ins Rheinland oder bleiben wir mit dem Hintern zu Hause? Können wir doch noch unsere Freunde sehen? Fragen über Fragen und vor lauter Fragen vergessen wir, dass wir trotz aller Einschränkungen etwas Neues entdecken können, wenn wir es dann zulassen - Denn Weihnachten fällt ja nicht aus!
Und doch habe ich genau das Gefühl. Der Satz << „ohne Weihnachtsmärkte ist doch kein richtiges Weihnachten“<< bestätigt mir das viele genauso denken.
Ganz ehrlich, wenn ich an Weihnachten denke kommt mir kein Budenzauber oder Komasaufen am Glühweinstand in Erinnerung. Woran ich denke sind Erinnerungen an plattgedrückte Nasen am Schaufenster unseres Süßwarengeschäftes, an dieses unbeschreibliche Gefühl, wenn man am Heiligabend vor dem hell erleuchtenden Baum steht, an Adventssonntagen, an denen man gemeinsam den Christstollen angeschnitten hat, an den Duft von frisch gebackenen Keksen der durchs Haus zog, an Lichterglanz und schönen Geschichten und an kindlicher Glückseligkeit. All das vermischt mit neu hinzugekommenen Ritualen habe ich mir mit meinen Kindern bewahren können. Weihnachten ist mehr als sich durch enge Gassen zu drängeln und weihnachtliche Klänge aus alten und kratzigen Boxen zu hören.
Weihnachten, auch wenn das viele überraschen wird, ist beileibe keine Erfindung der Neuzeit und erst recht keine Werbekampagne großer Versandhäuser, wenngleich man es durch die Entwicklung der letzten Jahrzehnte durchaus vermuten könnte. Weihnachten hat Tradition und damit meine ich weder die beliebten Weihnachtsmärkte noch den ganzen Firlefanz. Historisch gesehen feiert die christlich geprägte Welt seit Anfang des 4. Jahrhunderts am 25. Dezember die Geburt Jesu. Man vermutet, dass die Kirchenväter dieses Datum wählten, weil die Heiden an diesem Tag das Fest des Sonnengottes Mithras feierten: ein Feiertag, der 274 von Kaiser Aurelian eingeführt worden war und im Volk sehr populär war. Und die Adventszeit, also das, was wir allgemein als Weihnachtszeit bezeichnen, steht symbolisch für die viertausend Jahre, in der die Menschheit gemäß kirchlicher Rechnung nach dem Sündenfall im Paradies auf den Erlöser warten mussten. Die 4 Kerzen des Adventskranzes weisen auf das Licht hin, das Christus in die Welt gebracht hat. Tja, strenggenommen also ein Fest für gläubige Christen! Dass, wir, in den letzten dreißig Jahren daraus ein Riesenevent mit Budenzauber und Halligalli gemacht haben steht auf einem ganz anderen Blatt Papier. Und ich finde, wie so oft, gilt auch hier - manchmal ist weniger einfach mehr!
Sich bei all der Hektik, für die normalerweise die Weihnachtszeit steht, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren fällt nicht nur Christen schwer. Eine Gesellschaft, die, wenn man es so will, über Jahrzehnte durch Konsum, dem Hetzen von einer Weihnachtsfeier zur nächsten, den Termindruck ja auch alle Freunde und Verwandte noch vor dem Fest zu sehen und dem Trubel der Weihnachtsmärkte abgelenkt wurde muss sich geradewegs verlassen und hilflos fühlen. Ich meine, wenn selbst ein Ministerpräsident vom härtesten Weihnachten" seit dem Krieg spricht, was soll man dann von Lieschen Müller und Manfred Mustermann erwarten? Ist doch ganz klar, dass da das Gefühl aufkommt geradewegs und das mit offenen Armen in ein, wenn nicht sogar dem dunkelsten Kapitel unserer modernen Geschichte zu rennen. Dabei kann von „hart“ nun überhaupt nicht die Rede sein. Hart waren die Weihnachten für unsere Eltern und Großeltern, die weder im noch nach dem Krieg etwas zu essen hatten und dem der weihnachtliche Lichterglanz und all das Lametta so ziemlich am verlängerten Rückgrat vorbeiging in Anbetracht anderer essenzieller und wichtigeren Dingen des täglichen Lebens.
Klar, wird es dieses Jahr anders sein als die Jahre zuvor. Aber anders bedeutet nicht schlechter oder weniger schön! Anders und das impliziert das Wort auch bedeutet, dass wir uns auf etwas Neues konzentrieren oder freuen können. Vielleicht Dinge tun, die wir schon viele Jahre nicht mehr getan haben. Wie wäre es einfach an den vier Adventssonntagen bei Kerzenschein sich weihnachtliche Geschichten vorzulesen oder ganz in Ruhe wirklich den Klängen weihnachtlicher Musik zu lauschen, draußen auf dem Balkon oder der Terrasse ein kleines Feuerchen anzuzünden und dabei seinen Glühwein zu trinken? Vielleicht entdeckt sogar der eine oder andere, dass man die Weihnachtsplätzchen auch in völliger Ruhe backen kann und nicht wie sonst oft üblich zwischen dem einen und anderen Terminen rasch noch ein Blech in den Ofen zu schieben.
Sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und damit meine ich keineswegs den christlichen Aspekt, kann so leicht und gleichzeitig so verdammt schwer sein. Möglich ist aber alles und erst recht, wenn es uns die vormachen für die Weihnachten sozusagen ein volles Haus bedeutet.
Meine Kirchengemeinde zum Beispiel geht neue Wege. Ungewohnt und vielleicht etwas holperig – aber sie gehen und irgendwie habe ich das Gefühl, dass es gut wird. Anders aber dennoch schön. Sie bietet an einigen ausgesuchten Abenden mit Lichterglanz und Feuerschein ein gemeinsames Adventssingen draußen auf dem Kirchenplatz an. Natürlich alles nach den erforderlichen Hygienekonzepten.
Wir alle werden diese Weihnachten gemeinsam neue Wege gehen müssen. Das erfordert Mut. Mut alte und bequeme Pfade zu verlassen, etwas mehr Kreativität als in den letzten Jahrzehnten an den Tag zu legen und die Bereitschaft Weihnachten und die Adventszeit mal ganz anders feiern zu wollen. Sich jedoch von vornherein hinzustellen und darüber zu lamentieren, wie mies dieses Jahr alles ist und wie trüb und trostlos die diesjährige Weihnachtszeit doch ist, ist deren vorzeitiges Ableben.
Ich für meinen Teil möchte mich an dessen Ableben nicht beteiligen. Mein Abenteuer Weihnachten 2020 kann beginnen und wer weiß, vielleicht entdecke ich altes ganz neu?
Natürlich werde auch ich die bunten Lichter der Weihnachtsmärkte, den Geruch von altem Bratfett vermischt mit dem Duft von Schmalzgebäck und Glühwein vermissen und ja, vielleicht sogar das Gedränge vor den Ständen mit Handwerkskunst.
Dennoch ist Weihnachten mehr als das!
Für ein paar Tage können wir uns zurückziehen, abschalten und etwas Kraft tanken – trotz aller Anstrengungen und das Wesentliche und Besinnliche auf uns wirken lassen.
Denn schon Edna Ferber wusste, << Weihnachten ist keine Jahreszeit. Es ist ein Gefühl<<
In diesem Sinne
Herzlichst ihre / eure Lilo David.
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