Petra Lies / Lilo. Ich tue, was mir Freude macht. Singen und Schreiben.    

Klar, man muss nicht über alles nachdenken – kann es aber durchaus tun!

Egal, in welcher Sprache, ob nun unser deutscher Glückwunsch oder das ebenso mittlerweile vertraute Congratulations der Engländer,  ein freundliches Tillykke, der Dänen, das Felicitations des Franzosen, das eher härter ausgesprochene Gefeliciteerd der Niederländer oder, die ähnlich ausgesprochenen Glückwünsche der Tschechen, Polen oder Norweger, kommt es zur Anwendung wissen wir alle, worum es geht.

Das Gratulieren ist universell und bedarf auch keiner weiteren Erklärung. In jedem noch so kleinsten Fitzel unseres Erdballs drückt man somit seine Freude jemanden anderen gegenüber aus. Ob jetzt zum Geburtstag, zur Geburt eines Kindes, zur bestandenen Prüfung oder zu einem erfolgreichen Abschluss, ja sogar zu einer überstandenen Operation wird gratuliert. Mancher schmückt seine Gratulation mit sprachlichem Beiwerk aus, wie alles Liebe oder alles Gute, das sich dann wie eine Blütengirlande um den eigentlichen Glückwunsch rangt, aber im Grunde meinen wir alle das gleiche, nämlich, schau wir denken an dich! Und noch etwas haben alle Gratulanten gemeinsam – zu mindestens sollte es so sein. Ihre guten Wünsche kommen direkt aus dem Herzzentrum. Nur selten und auch das ist jedem bewusst, mögen Gratulationen einen leichten und bitteren Beigeschmack hegen. Nämlich dann, wenn man jemanden gratulieren muss, der einem beim Aufstieg der Karriereleiter überholt hat.

Die Gratulation gehört zu unseren sprachlichen Kulturen und es gibt wahrhaftig kein Land dieser Erde, dass diesen Begriff aus seinem Duden verbannt hat. Es gehört, wie so vieles, in unserer Gesellschaft zum guten Ton.  Doch neuerdings scheint mir das Wort „Gratuliere oder den innigeren ausgesprochenen herzlichen Glückwunsch“ eine völlig andere Bedeutung zu erhalten und ich frage mich warum?

Heutzutage gratuliert man sich zu Dingen, die man noch vor zwei oder einem Jahr nicht einmal für würdig erachtet hätte und ich gebe zu, dass mich so manche Gratulation, die mich in den vergangenen Wochen und Monaten erreicht hat, nicht nur unangenehm berührt, sondern mit Irritation zurückgelassen hat.

 Eine Gratulation erhielt ich dafür, dass ich so dumm bin und mich von der Regierung gängeln lasse und wie ein Schaf mit der Masse blöke. Mir wurde auch und das gleich von mehreren Personen dazu gratuliert, dass ich anscheinend keine eigene Meinung habe, als die die mir vorgegeben wird und mit einer ausgesprochen herzlichen Gratulation bescheinigte man mir, dass ich auf dem Treppchen der Leichtgläubigkeit ganz oben stehen würde. Und all das nur, weil ich mich, wie übrigens viele unter uns, an die allgemeinen Regeln der Pandemie halte und sie nicht als Ausgeburt staatlicher Bevormundung oder Aushebelung unserer Grundrechte ansehe. Ach ja und noch was – ich leugne den Virus nicht!   

Ja, die Pandemie, und das wird keiner abstreiten, hat unsere Gesellschaft gespalten. Mehr sogar noch. Dieser klitzekleine und unsichtbare Virus hat uns in verschiedenen Kategorien eingeteilt. Da gibt es die Querdenker, Seitendenker, Horizontaltdenker und die Nichtdenker. Und das Schlimme daran ist, dass jede einzelne Gruppierung für sich das Recht einfordert, gehört und gesehen zu werden. Laut dröhnend fordern sie, mit allem, was ihnen zur Verfügung steht und im höchsten Maße Akzeptanz. Wohl bemerkt – Akzeptanz und nicht etwa nur Toleranz.

Toleranz beinhaltet ja keineswegs, dass man diese Gruppierungen gerne um sich haben möchte. Nein. Toleranz bedeutet Stillschweigen und sich nicht auf Augenhöhe mit den Meinungen Andersdenkender auseinanderzusetzen oder sie sogar in ihren Ansichten zu akzeptieren.

Ich toleriere den Hund meiner Nachbarin auch und das, obwohl ich ihn überhaupt nicht mag. Würde ich ihn akzeptieren, würde mich weder seine Gegenwart noch sein tagtägliches Bellen aufregen und wer weiß, vielleicht würde mich meine eigene Fähigkeit ihn zu akzeptieren auch dazu bringen ihn näher kennenzulernen und vielleicht sogar zu mögen, und zwar völlig ohne Vorbehalte.

Aber ich bin halt Menschen und als solcher darf ich fehlerhaft Denken und Handeln.

Vielleicht aber bringt das Akzeptieren rein gar nichts, weil die Lager schon so weit voneinander entfernt sind, dass man sich beim besten Willen nicht mehr begegnen kann.

Haben Sie nicht auch manchmal das Gefühl, in einer völlig irrationalen und verrückten Zeit zu leben? Ich schon, und zwar immer dann, wenn ich mich auf einer der größten Social-Media-Plattformen aufhalte. Neulich erst las ich von jemanden, den ich schon eine ganze Weile virtuell kenne:

<< ich muss mal Pause machen, sonst drehe ich hier noch durch<<

Tja, dachte ich. Bei manchen Kommentaren schwirrt auch mir mein Kopf, als hätte ich geradewegs von Obelix einen Schlag mit dem Hinkelstein erhalten. Und dann lese ich plötzlich und für mich völlig aus dem Sinn gegriffen unter diesem Beitrag ein

<< herzlichen Glückwunsch<<

Zum Henker noch eins. Warum um alles in der Welt gratuliert man hier? Es bedarf weder Mut noch einer größeren Anstrengung Facebook den Rücken zu kehren. Man drückt einfach auf den Knopf und gut ist. Und noch während ich darüber nachsann, ob und welche Gründe es dafür geben könnte, erreichten auch mich für einen winzig kleinen Hinweis auf meinem Profilbild gleich mehrere Gratulationen, die mich irritierte und mit vielen Fragen zurückließ.

Bitte, nicht falsch verstehen. Ich habe mich über jede einzelne, denn genau genommen waren es weit mehr als vierzig Gratulationen, gefreut. Und dennoch darf man sich doch die Frage stellen, warum bekommt man für etwas so Selbstverständliches, wie sich impfen zu lassen eine Gratulation. Ist es nicht eher eine Bürgerpflicht, sich impfen zu lassen? Immerhin lebe ich, wie übrigens jeder andere unter uns, in einem Land, das uns durch seine freiheitlichen demokratischen Grundrechte ein Leben in Freiheit, Gleichheit und Wohlstand sichert? Sich impfen zu lassen ist für mich, wie die Einhaltung der AHA – Regeln und den Masken tragen, mein Anteil daran, dass wir die Pandemie, die uns seit über einem Jahr in Atem hält, endlich eindämmen können.

Was also rechtfertigt dann eine Gratulation? Ist es wirklich das sich freuen für einen anderen? Was eine Gratulation ja ursprünglich bedeutet oder, ist es eher ein ich gratuliere dir zu deinem Mut von all denjenigen, die vom Sinn einer Impfung immer noch nicht überzeugt sind oder damit Gefahren verbinden oder, ist es vielleicht auch eher eine neidische nicht im Sinn von Neid, sondern, eher im Sinne von hey, ich hätte auch gerne bin aber noch lange nicht dran oder gar so etwas wie eine klare Zusage einer Gruppenzugehörigkeit?  

Klar, hätte ich fragen können, anstatt jetzt darüber zu mutmaßen und mir Gedanken zu machen. Aber mal ehrlich, fragen Sie etwa jeden, der ihnen gratuliert, warum und weshalb er das tut?

Eben, warum also sollte ich es tun? Andererseits hätte ich mir vielleicht dadurch ein paar Gedanken ersparen können, wobei ich dann auch nicht hätte darüberschreiben können.

Manchmal gibt es eben keine plausiblen Erklärungen für das, was wir Menschen so gerne tun und, warum wir dann jemanden gratulieren, wo man es am allerwenigsten erwartet. 

Vielleicht sollten wir uns von dem Aberglauben lossagen, alles verstehen zu müssen und uns zu der Einsicht bekehren, im Höchstfall imstande zu sein, mit unserem Unverständnis verständnisvoll umgehen zu können.

Ist übrigens nicht von mir – Sorry.  Ich habe es mir ausgeborgt, weil ich der Überzeugung bin, dass man nicht alles in Leben erklären kann und muss und manches einfach mal so hinnimmt wie es kommt.

In diesem Sinne

Herzlichst ihre / eure Lilo David.  

 

  

 

 

 

 

 

 

 

  

 

 

 

 

 

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