Petra Lies / Lilo. Ich tue, was mir Freude macht. Singen und Schreiben.    

Hab dich selbst jeden Tag ein wenig lieber oder, warum Selbstliebe letztendlich so wichtig für uns alle sein kann.

<< Tu deinem Körper etwas Gutes, damit die Seele Lust hat, darin zu wohnen<<. Dass, das eines der besten Ideen ist, das wusste Teresa von Ávila, eine katholische Heilige und Kirchenlehrerin bereits im 16. Jahrhundert. Ich bin ihrem Rat gefolgt und habe meinen Wunsch, meiner Stimme endlich eine Stimme zu verleihen nach Jahren ausdauernder Einwände, wie -   ich möchte, ich könnte- ich habe keine Zeit – ich weiß nicht so recht endlich umgesetzt. Kurz um, ich nehme seit geraumer Zeit Gesangsunterricht und versuche mich an verschiedenen Projekten, die selbstredend allesamt etwas mit Musik zu tun haben.

Während ich mich also in ganz vielen unterschiedlichen Gesangrichtungen bewege und manchmal meinen inneren Schweinehund ziemlich rau wecken muss, lehrt mich meine mittlerweile befreundete Gesanglehrerin nicht nur die allumfassende Technik – und glauben Sie mir, die ist schon schwer genug, sondern, ganz nebenbei ein völlig neues und durch die Jahre verschüttetes Gefühl für mich selbst.

Selbstliebe oder ein umfassendes positives Gefühl für mich selbst!  

Ich gebe zu, anfänglich fiel es mir nicht leicht mich auch dann noch zu mögen, wenn ich trotz aller Bemühungen den richtigen Ton zu treffen, es nicht schaffte und all dem auch noch einen positiven Aspekt abzugewinnen. Nicht, dass ich nicht singen könnte – ich kann es und da schon seit vielen Jahren. Aber Singen und Singen sind wie vieles im Leben zwei paar völlig verschiedene Schuhe. Was ich seit Monaten lerne, ist richtiges Singen – von der Pike an und mit allem, was der eigenen Körper an Techniken zu bieten hat. Selbstredend gelingt mir manches leichter als anderes. Doch jedes Mal, wenn ich mal wieder nicht wusste, wohin mich der nächst Ton führt und ich resigniert über mein eigenes Unvermögen am meisten mit mir haderte, weil  ich eben nicht  mit Leichtigkeit aus der Kopfstimme in die Bruststimme kam, mein Atemkissen nicht richtig nutzte, um in Höhen und Tiefen abzutauchen, die andere nur mit einem Atemgerät erreichen und ich bei all dem auch nicht aussah, als würde ich mit  strahlendem Lächeln Feen gleich durch den Raum schweben kam von ihr der stets lieb gemeinte Ratschlag mich doch ein wenig mehr zu lieben, mit mir pfleglicher umzugehen, mir mehr zu vertrauen und mich ganz auf mein Gefühl zu verlassen – dann klappt es!

Ein Ratschlag, der in mir wirklich ganz unterschiedliche Gefühle freisetzt. Mich zu mögen und gut zu mir zu sein, obwohl ich << versagt << habe – was für ein schweres Wort - war nicht gerade das, was ich selbst von Kindesbeinen an gelehrt bekommen habe. Sich selbst auch dann noch zu mögen, wenn man sein ganzes Unvermögen vor Augen hat, hat ja viel damit zu tun, sich selbst wichtig zu nehmen und genau daran hapert es. Wie viele andere stehe ich der Selbstliebe ein wenig ambivalent gegenüber.  

In der heutigen Gesellschaft ist Selbstliebe doch eher verpönt.  Wohl auch deshalb, weil viele Menschen diese Liebe zu sich selbst mit Narzissmus, Eitelkeit und Egoismus verwechseln. Dabei ist Selbstliebe alles andere als das. Selbstliebe bedeutet sich seinen eigenen Stärken und Schwächen bewusst zu sein.  Dass, das nie leicht ist, wissen die meisten unter uns. Selbstliebe entsteht oder sollte bereits in der Kindheit entstehen. Nun wurden jedoch Generation vor mir und einschließlich meiner eigenen nach dem Tenor erzogen, dass man sich ja nie so wichtig nehmen sollte und sowohl Stärken als Schwächen wurde uns gerne schon mal und mit manch brachialen Mitteln abtrainiert. Wir hatten zu folgen und ansonsten uns allem unterzuordnen. Individualismus oder gar die Liebe zu uns selbst stand nicht gerade ganz oben auf den Erziehungsplänen unserer Eltern und Großeltern.

Spätere Generationen – einschließlich derer meiner eigenen Kinder, wurden eher nach dem Tenor erzogen sich sehr wohl wichtig zu nehmen und gleichzeitig durch übertriebene Fürsorge aber auch durch das oft übertriebene elterliche Streben nach mehr und noch erfolgreicher zu sein eher zu kleinen oder großen Egoisten erzogen. Im Grunde haben sowohl unsere Eltern als auch wir als Eltern unter oder übertrieben.

Selbstliebe ist bitte nicht zu verwechseln mit Narzissmus oder Egoismus!

Selbstliebe soll dich dazu führen, dass du dich selbst wertschätzt und pfleglich mit dir umgehst. Jemand der es schafft sich zu lieben wird automatisch anders mit sich umzugehen, verdrängt und kritisiert seine Fehler nicht, sondern, nutzt seine draus gewonnene Selbsterkenntnis, um sich weiterzuentwickeln.  Das bedeutet wiederum mehr Freiheit, Lebensfreude, Glück und Nächstenliebe.

Da mag sich nun der eine oder andere fragen, wie soll das in einer Gesellschaft, die seit Jahren von Angst, Orientierungslosigkeit, Neid und Hass geprägt, von Terror und Klimawandel bedroht wird funktionieren? Klar, ist es nicht immer leicht auf sich selbst zu achten oder so etwas wie Selbstliebe zu empfinden. Angesichts all dieser realen Probleme und die, die uns beinah tagtäglich als Prophezeiung auf ein quasi Silbertablett präsentiert werden, kann man sich fragen, wie wir noch ein halbwegs gutes Leben führen können?

Es klingt verrückt – aber vielleicht liegt der wahre Schlüssel wirklich darin verborgen, dass wir Selbstliebe entwickeln? Keine, die mit Narzissmus oder Egoismus gleichgesetzt werden sollte. Nein – ich meine eine achtsame und liebevolle Haltung sich selbst gegenüber. Und vielleicht klappt dann auch der Rest von alleine oder halbwegs alleine.

Ich glaube nämlich, gerade in einer Welt voll von Idealen ist Selbstliebe ein absolut wichtiger Aspekt. Wir alle streben irgendwo nach Perfektion, Jugend, Schlankheit und Leistungsfähigkeit. Wir denken ständig, dass wir all diesen gesellschaftlichen Idealen nacheifern und oder nachlaufen müssen und nur, wenn wir gewissen Idealen entsprechen sind wir ein wertvoller Mensch. Und in all unserem Bestreben sehen wir letztendlich das Wesentlich nicht mehr. UNS selbst!

Anders, als vielleicht viele unter uns jetzt denken können bedeutet Selbstliebe nämlich keineswegs, sich immer wieder selbst zu sagen, wie toll, schön oder großartig man doch ist. Und bei weitem, ist Selbstliebe weit davon entfernt, sich selbst auf ein hohes Podest zu setzen und zu glauben, man wäre anderen gegenüber überlegen oder mehr wert.

Wer so denkt und handelt ist entweder narzisstisch oder größenwahnsinnig veranlagt.  

Der wahre Kern, der hinter dem Begriff Selbstliebe steckt, ist der, sich so zu mögen, wie man ist, und zwar mit allen Facetten die man in sich oder nach außen trägt. Selbstredend kann man Selbstliebe erlernen. So, wie ich es jetzt Stück für Stück während meines Gesangunterrichts erlerne, kann man es auch auf anderen Ebenen neu für sich entdecken.

In einem Artikel zur Selbstliebe fand ich den wirklich reizenden Ratschlag, man möge sich doch bitte selbst einen Liebesbrief schreiben. Wie ich finde, scheint dies zwar ein klein wenig verrückt zu sein und doch nicht die allerschlechteste Idee, um sich wieder neu zu lieben?  Sich sozusagen als Geliebte oder Geliebter zu betrachten und sich zu beschreiben ist wie eine Entdeckungsreise hin zu seinem eigenen ICH. Ehrlich soll man dabei mit sich sein aber die Frage so beantworten ohne sich gleichzeitig selbst kritisieren. Man könnte sich also fragen, warum und weshalb bin ich liebenswert? Was macht mich aus, was macht mich schön? Wo liegen meine Stärken? Und welche Schwächen habe ich? Und bitte, denke während du schreibst positiv über dich, denn, wenn wir gut über uns denken, dann fühlen wir uns auch gut - dann können wir uns selbst lieben.

Nun schreibe ich mir selbst keine – oder noch keine – Liebesbriefe. Aber im Rahmen eines sehr intensiven Gesangskurses erfahre ich mehr über meine Stärken und Schwächen, sie richtig einzuordnen oder zu erkennen und meinen eigenen Bedürfnissen Raum und Zeit zu schenken. Dazustehen, wie ich mich sehe und sowohl positives als negatives anzunehmen und nicht erneut mit Argumenten zu kommen, die mich in ein anderes und womöglich schlechteres Licht setzen. Sei ehrlich zu dir und übertreibe oder untertreibe nichts – ist ein sehr guter Ratschlag, den ich versuche immer öfter zu beherzigen. Ehrlichkeit führt oft wesentlich schneller zum Ziel und auf alle Fälle dazu sich selbst zu mögen.

Lobe dich also gerne für Dinge, die du kannst und die dir gut gelungen sind. Mach dir selbst Komplimente und belohne dich dafür, dass du bist wie du bist. Kritisiere, was zu kritisieren ist, aber ohne dich dabei herabzusetzen oder dir selbst zu schaden.

 Nehme dich so an, wie du bist – denn so bist du richtig!  

Ja - diese Gedankengänge mögen dem einen oder anderen fremdartig vorkommen und vielleicht leichte Züge hin zum Narzissmus beinhalten. Und doch ist es nicht so.

Narzissmus ist krankhaft veranlagt und führt dazu andere in seinem eigenen Umfeld zu zerstören. Selbstliebe hingegen ist ein gutes, sanftes und inniges Empfinden zu sich selbst.

Wir sollten uns viel öfter selber fragen, wie oft wir aus Liebe und Zuneigung für andere etwas tun, und uns dabei völlig unbeachtet lassen? Wieso also tun wir nicht dann auch mal Dinge, die nur für uns sind?

Einer meiner Grundsätze lautet, behandle andere stets so, wie du selbst behandelt werden möchtest. Ich glaube, hier sollte ich ein wenig korrigieren. Nach alldem, was ich in den letzten Monaten und Wochen auf unterschiedlicher Weise mühselig erlernt habe, sollte es zukünftig heißen:

<< Behandle dich so, wie du andere behandelt würdest<<

Ich finde das ist ein richtig guter Ansatz, denn eine gute und innige Beziehung zum eigenen ICH ist die beste Grundlage für gute Beziehungen zu anderen Menschen, zu mehr Toleranz, größerer Akzeptanz und wer weiß, vielleicht der einzige Schlüssel zu einer anderen und besseren Welt – auch oder gerade in diesen schwierigen und unsicheren Zeiten.

In diesem Sinne

Herzlichst deine / ihre Lilo David.

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