Lost Memories, mental Blackouts, ein paar Fragen und wichtigen Erkenntnissen.
Die allermeisten kennen den Begriff „Lost Palaces“. Verlassen Orte, die schon so manchem einen Schauer über den Rücken haben treiben können. Vergleichen kann man wohl beide Ausdrücke kaum miteinander, zumal Lost Memories und das gebe ich ehrlich zu wohl dann doch eher meiner Fantasie entsprungen ist, als einer allgemein gültigen Realität. Und dennoch brachte er mir, wenn auch nur für einen kurzen Moment, einen ordentlichen Schrecken ein.
Letzte Woche hatte mein Sohn Geburtstag – unser Nesthäkchen! Nesthäkchen ist gut. Immerhin, ist er schon 23 geworden. Natürlich weiß ich, dass der Vergleich hinkt, aber darum geht es gar nicht, sondern, um das subjektive Gefühl, das ich ihm gegenüber empfinde. Er wird es deshalb irgendwie immer bleiben, nicht, weil ich als Mutter nicht loslassen und die Tatsache, dass Kinder flügge werden und Ausfliegen nicht akzeptieren kann, sondern, weil seine beiden Geschwister wirklich wesentlich älter sind.
Ich gehörte schon zum eher älteren Semester als er das Licht dieser Welt erblickte. Heute bin ich heilfroh, dass ich noch jemanden zu Hause habe, der unbefangen genug ist, um mich zu ermutigen über gewisse Dinge nachzudenken. Nicht, dass ich es nicht auch sonst tun würde, aber vielleicht nicht in der Intensität, wie ich es jetzt tue. Das ständige Auseinandersetzen mit jungen Gedanken und deren Lebenseinstellungen und sich Fragen zu stellen, die man sich sonst wohl eher nicht gestellt hätte, hat nicht nur meinen Geist jung gehalten. Zu mindestens dachte ich es bis diese eine Frage mich wie ein Donnerblitz traf.
<<Sag mal, was haben wir eigentlich letztes Jahr zu meinem Geburtstag gemacht? <<
Andere ja, die dürfen gerne auch große Erinnerungslücken haben, aber ich doch nicht! Mensch, ich merke mir ja sogar Hochzeitstage, Geburtstage, Jubiläen und Ereignisse von Verwandten und Freunden und ich weiß sogar noch das Datum, an dem meine Schwägerin und ihr Mann ein Paar wurden und das geht mich nun wirklich nichts an! Wenn ich so darüber nachdenke, könnte ich sogar sämtliche Urlaubsorte seit 1980 benennen und wüsste haargenau, welche Ausflüge wir unternommen haben. Und jetzt das. Auf eine einfache Frage wusste ich keine Antwort. Ich saß da, schnappte wie ein Hecht nach Luft und blieb stumm. Und das mir, wo meine bessere Hälfte stets behauptet, dass meine Erinnerungen besser als jede Familienchronik sind.
Das Jahr 2020 scheint in der Rangordnung vergessener Dinge ganz oben auf dem Treppchen zu stehen und alles, was mir dazu einfällt, ist:
Lost Memories
Natürlich ist nicht jede Erinnerung verschwunden. Unser Familien-Video – Call zum Geburtstag meines Mannes im März ist mir noch gut in Erinnerung, weil ich es total schräg empfunden hatte und mir der erste Lockdown vorkam, wie eine Szene, in einem völlig irrationalen Science Fiktion Film à la Roland Emmerich. Und auch das erste Treffen, zum Geburtstag meines älteren Sohnes im Mai, zwischen dem ersten und zweiten Lockdown, sehe ich noch bildlich vor mir. Aber darüber hinaus umfasst mich kühle, dunkle Leere. Nichts außer Erinnerungslücken zu mindestens was das Private angeht.
Denke, ich an 2020 sehe ich Demonstrationen der Maskenverweigerer, Corona-Leugner und Verschwörungstheoretiker, an die Ängste sich womöglich anzustecken, an die endlose Diskussionen um geeignete Maßnahmen die Pandemie einzudämmen und ich sehe mich und meine beste Freundin, wie wir uns über den Gartenzaun in sicherer Entfernung unterhalten und stets darauf bedacht waren, uns ja nicht näher als 2 Meter zu kommen. Ich denke, an die vielen verpassten Gelegenheiten Freunde zu treffen, an nicht stattfindenden sommerlichen Tagen irgendwo am Strand oder mit einem Glas Wein in der Hand in einem der vielen Biergärten der Stadt und an all das, was man verschieben musste und aufgrund neuer unbekannter Regeln einfach nicht feiern durfte. Mein Kopf ist also voll von Erinnerungen, die aber weniger privater Natur sind, sondern sich einzig auf das Negative beziehen. Und ehrlich gesagt macht mich das nachdenklich und stückweise traurig.
Und wissen Sie was?
Ich will das nicht!
Will nicht, dass das Jahr 2020 zu einem verlorenen Jahr in meinem Erinnerungsschmuckkästchen wird.
Natürlich war es anders als alle anderen zuvor. Keiner von uns hatte bisher mit einer weltweiten Pandemie zu tun und dennoch weigere ich mich schlicht dieses Jahr, als verloren anzusehen und meine Erinnerungen nur durch das Negative beeinflussen zu lassen.
Vielleicht ist es daher gut sich an das zu erinnern, was dieses Jahr Positives zu bieten hatte und es gab trotz unterschiedlicher Auffassung viel Positives.
Familie und Zusammenhalt erreichte einen völlig neuen und anderen Stellenwert und die Dinge, die wir bis dahin als eher selbstverständlich angesehen hatten, waren plötzlich alles andere als selbstverständlich.
Das Besinnen auf das Wesentliche erfreute sich allgemeiner Beliebtheit und immerhin gaben 89 % der 15 – bis 29-Jährigen in einer vor Kurzem stattfindenden Umfrage zu, dass für sie Familie und gemeinsame Stunden mit Eltern und Geschwister als absolut positiv empfunden wurde.
Mal ehrlich? Hat nicht jeder von uns irgendwie festgestellt, dass das, was uns als unendlich wichtig erschien, eigentlich völlig nebensächlich ist?
Und noch etwas rangierte plötzlich in der Rangordnung sehr weit oben. Virtuelle Kontakte! Sonst eher belächelt oder verteufelt, wurden unter den besonderen Umständen plötzlich unerlässlich, wichtig und womöglich für so manchen zum einzigen Tor zur Außenwelt. Floskeln, wie << alles Gute, bleib gesund<< waren wirklich absolut ernst gemeint. Zum ersten Mal meinte jeder das, was er dem anderen wünschte.
Ist das nicht ein großartiger Gewinn?
Wenn man das vergangene Jahr und auch die ersten Monate dieses Jahres betrachtet, so war es nie und nimmer verloren Zeit, sondern ein eher Back to the Roots
Eine Zeit, in dem wir freiwillig oder weniger freiwillig lernen mussten, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden, dem höher, schneller und weiter unserer Gesellschaft eine Abfuhr erteilten und uns auf eine eher langsame und beständige Lebensweise besonnen haben. Ja, ich glaube ernsthaft, dass nicht wenige unter uns sich zum ersten Mal im Leben wirklich Gedanken darüber gemacht haben, was ihr Leben ausmacht, was ihnen wichtig ist und worauf sie auch in Zukunft herzlich gerne verzichten können.
Ich zu mindestens sehe 2020 als Jahr des Neubeginns, des Aufbruchs hin zu neuen Ufern, der Rückbesinnung und verzeihe mir die eine oder andere Erinnerungslücke.
Und vielleicht tun Sie es auch bei sich.
In diesem Sinne
Herzlichst ihre / eure Lilo David
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